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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Dietrich
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Jungen auf der Gasse gesehen, und sie sagten es ihren Vätern, und die Väter sagten zu Daniil dem Weißen: »Herr Fürst Daniil der Weiße, es war in unserer Stadt ein tapferer Krieger. Sein Roß war wie ein Löwe, und er war ganz bewaffnet. Er ritt von dem Gefängnisse weg, wo der Zar Kartaus, der Fürst Lasar Lasarewitsch und die zwölf Ritter sitzen.« –
    Der Fürst Daniil der Weiße schickte sogleich seinen treuen Diener Mursa in das Gefängnis und befahl zu fragen, wer im Gefängnisse gewesen, und was er gesagt habe. Und als er zum Gefängnisse kam, sah er, daß die Thüre aufstand und die Wache niedergehauen war. Und als Mursa in das Gefängnis trat, fragte er: »Herr Zar Kartaus, sage mir: wer war bei dir im Gefängnisse? Der Fürst Daniil der Weiße läßt dich darnach fragen.« – Zar Kartaus antwortete ihm: »Guter Mensch! fürchte Gott! wie können wir wissen, wer bei uns im Gefängnisse war. Ein Mensch war bei uns, der nannte sich Jeruslan, aber wir haben ihn nicht an der Stimme erkannt.«
    Da ging Mursa zum Fürsten Daniil dem Weißen, und sagte ihm die Worte des Kartaus. Der Fürst Daniil der Weiße befahl, sogleich in die Trompete zu stoßen und die Pauken zu schlagen, und da versammelten sich bei ihm Mursen und Tataren an zwei hundert funfzig tausend Mann. Und er befahl, aus ihnen dreißig tapfere Mursen auszuwählen, und diesen gab er Auftrag, den Jeruslan einzuholen, ihn zu fangen und vor ihn zu bringen. Die Mursen und Tataren verfolgten ihn, und als sie in dem freien Felde ritten, sahen sie in der Ferne Jeruslan unter einer Eiche schlafen, und sein Roß über ihm stehen. Das Roß sah, daß ihm die Mursen und Tataren nachjagten, und fing an heftig zu wiehern. Jeruslan erwachte davon, und als er in der Ferne die Ritter erblickte, setzte er sich auf sein gutes Roß, ritt in das freie Feld und sprach folgende Worte: »Brüder Mursen und Tataren, so wie ihr den Wind im freien Felde nicht einholen könnt, so könnt ihr auch mich guten Jüngling nicht fangen.«
    Und er verschwand ihnen bald aus den Augen und ritt hinter die stillen Wässer und warmen Meere zur podolischen Horde nach der Stadt Schtschetin, zu dem Freizar Feuerschild, Flammenlanze.
    Und die Mursen und Tataren berathschlagten unter sich, wie sie dem Fürsten sagen sollten, daß sie ihn nicht gefangen hätten, und sie beschlossen, zu sagen, sie hätten ihn gar nicht gesehen.
    Jeruslan Lasarewitsch aber kam nach einem halben Jahre zur Stadt Schtschtin, und fünf Rennbahnen von ihr traf er ein erschlagenes Heer, und in diesem erschlagenen Heere lag ein Ritterkopf wie ein großer Hügel. Jeruslan Lasarewitsch ritt um diese erschlagene Macht herum und rief mit lauter Stimme: »Befindet sich nicht in diesem erschlagenen Heere ein lebendiger Mensch?«
    Da fragte ihn der Ritterkopf: »Jeruslan Lasarewitsch, wen verlangst du, und wer ist dir nöthig?«
    Und Jeruslan wunderte sich darüber. Da sprach der Ritterkopf abermal: »Wundere dich nicht und sage mir, wohin du reitest, und wohin dein Weg führt, und was du nöthig hast?«
    Da fragte ihn Jeruslan Lasarewitsch: »Aber wer bist du? wie nennt man dich bei Namen? Welches Reiches Einwohner bist du, und welches Vaters und welcher Mutter Sohn?«
    Da antwortete ihm der Ritterkopf: »Ich bin ein Ritter aus dem sadonischen Reiche, der Sohn des Zaren Prochos, und nenne mich Raslanei.«
    Darauf fragte ihn Jeruslan Lasarewitsch weiter: »Wessen Macht liegt hier erschlagen?«
    Und ihm antwortete der Ritter Raslanei: »Diese Macht gehört dem Freizar Feuerschild, Flammenlanze, und es ist noch kein ganzes Jahr, daß ich gekommen bin und sie erschlagen habe. Ursache des Streites mit dem Zaren war, daß er die Städte meines Vaters, des Zaren Prochos, weggenommen hatte. Aber sage mir, Jeruslan Lasarewitsch, wie weit du reitest?«
    Da sprach Jeruslan Lasarewitsch: »Ich reite in die Stadt Schtschetin zu dem Freizar Feuerschild, Flammenlanze, und will ihn todt vor mir sehen.«
    Da antwortete ihm der Ritterkopf: »Eher wirst du todt sein, als ihn todt sehen. Ich war wol ein starker und mächtiger Ritter, und mich fürchteten alle Zaren und Ritter des Ostens und Südens. Ich war bei meiner Geburt eine halbe Klafter lang, und maß in der Dicke so viel einer umspannen kann. Als ich zehn Jahr alt war, lief kein wildes Thier, ging kein Fußgänger, ritt kein Ritter, flog kein Vogel bei meinem Reiche vorüber. Und Keiner konnte vor mir stehn. Jezt nach Verlauf von zehn Jahren siehst du, wie ich gewachsen bin. Mein

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