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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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meine Willenskraft, den Frust und die rasende Wut herunterzuschlucken, und mich auf das eigentliche Problem zu konzentrieren.
    Der General hat mich zu Strahow geschickt. Entweder hat er sich täuschen lassen oder ich wurde von höchster Ebene verraten.
    Die Klappe vor dem Judasloch rattert auf. Ich spüre die starrenden Augen mehr, als dass ich sie sehe.
    »Treten Sie bitte zurück«, sagt eine Stimme, die ich als Strahows erkenne.
    Ich presse meinen Hintern und die gefesselten Hände gegen die Rückwand. Die Tür schlägt auf, und er wankt mit hüpfendem Kopf hinein. Er stößt mir eine Eisenstange in die Rippen und führt mich an Wachstuben und einer Reihe von Türen vorbei, hinter denen andere Zellen liegen. Eine der Türen ist offen. Im Türrahmen steht ein Wärter mit einem dicken Schlauch in der Hand, die Füße weit auseinander, um dem Rückstoß des Wasserstrahls standhalten zu können. Strahow wird langsamer. Anscheinend will er mir etwas zeigen.
    Rosa Wasser wirbelt dem Wärter um die Stiefel und plätschert gegen den zusammengerollten Schlauch am Boden. Rotgestreifte Innereien treiben wie Fleischstücke in dünner Tomatensoße durch den Strudel. Der Wärter tritt zurück, hält die Düse nach unten und spritzt die grauenhafte Suppe gegen die Unterkanten der Wände. Wir bleiben an einem Punkt stehen, von wo aus ich die Mitte der Zelle sehen kann. Ein Mann liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem Zementboden. Das von rot klaffenden Schluchten durchwachsene Fleisch verleiht dem Körper etwas Skulpturales. Zwischen den weit gespreizten Beinen sind seine zerquetschten Hoden zu sehen - eine scharlachrot quellende Blüte von perlenden Ranken durchwoben.
    Strahow kommt ganz nah an mein Ohr. »Sehen Sie? Besser Sie beantworten unsere Fragen gleich.«
    Er schubst mich weiter. Wir biegen um eine Ecke in einen leeren Flur. Zwei Männer in Uniform erwarten uns. Einer hält ein Paar Fußfesseln mit einer halbmeterlangen Kette in der Hand.
    »Entweder Sie benehmen sich«, sagt Strahow und lässt seinen Knüppel auf meinen Oberschenkel sausen, »oder ich mache Sie fertig.«
    Ich kann mich gerade noch auf den Beinen halten und tue so, als spürte ich den Schmerz nicht. »Ich benehme mich.«
    Einer der Männer kommt auf mich zu und kniet sich vor mir hin. Als er den Kopf senkt, erkenne ich in ihm den Fahrer des Vans. Segelohren. Er glättet meine Hosenaufschläge, bevor er eine der Fußschellen um meinen Knöchel klemmt - eine kleine, überraschend freundliche Geste. Er fängt an, die andere um meine Prothese zu schieben, zögert dann aber, als sich mein Bein unerwartet hart anfühlt. Meine tschechischen Entführer sind schlecht informiert, oder aber ihre Informationen sind veraltet, denn offenbar hat er mit zwei echten Beinen gerechnet. Nach anfänglicher Unsicherheit entschließt er sich, den Ring festzuziehen.
    Hinter mir höre ich Stoff rascheln.
    »Stehen Sie still, Volkowoj«, sagt Strahow in mein Ohr.
    Er streift mir eine Henkershaube über und zieht sie um den Hals fest. Die Haube ist aus Leder. Sie ist feucht und ranzig vom heißen Atem meiner Vorgänger.
    Eine Hand packt mich grob am Arm und führt mich eine Treppe hinunter. Ich zähle aus Gewohnheit mit. Fünfundvierzig Stufen, unterteilt in vier Absätze, und alle unterhalb der Erde, wenn ich mich nicht irre. Selbst durch die stinkende Haube werden die Gerüche immer schlimmer, bis die ungewaschenen Körper, ungeleerten Toilettenkübel und schimmeligen Wände zu einem öligen Nebel verschmelzen. Unsere Schritte werfen ein dröhnendes Echo. Die Anzahl der Tritte sagt mir, dass ich von drei Wärtern begleitet werde. Die Hand an meinem Arm bringt mich abrupt zum Stehen. Schlüssel klappern, eine knarrende Stahltür öffnet sich, helles Licht dringt durch die Haube.
    Ich werde in kalte, antiseptische Luft gestoßen. Unsere Schuhe klopfen einen Stakkato-Beat auf die Kacheln eines neuen Gangs, es riecht nach Krankenhaus. Wir laufen eine ganze Weile, mehr als zweihundert Schritte und drei Abzweigungen - rechts, links und dann wieder rechts, bis wir stehen bleiben.
    Eine weitere Tür öffnet sich, diesmal ganz leise. Ein Stoß in den Rücken schiebt mich hinein. Das regelmäßige Schlagen und Zischen eines Ventilators, wie ich annehme, durchbricht die Stille. Jemand - wahrscheinlich Strahow - reißt mich herum und stößt mich rückwärts, bis ich mit den Knien gegen die harte Kante eines Stuhls stoße. Kaum sitze ich, werden die Ketten an den Armlehnen

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