Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
Vom Netzwerk:
festgeschnallt.
    Meine drei Begleiter trotten davon. Die Tür fällt hinter ihnen zu. Im Raum ist es totenstill, abgesehen von dem mechanischen Atmen zu meiner Linken und einem Piepen, das mich an einen Herzmonitor denken lässt. Ich bin nicht allein im Raum. Aber wer auch immer bei mir ist, sagt kein Wort - wahrscheinlich, weil er es nicht kann.
    Ich warte. Fast eine Stunde vergeht in meinem Kopf, während ich die fünfzehn Atemzüge pro Minute meiner Begleitung mitzähle. Und dann meine ich, einen Lufthauch zu spüren, und ich weiß, dass jetzt noch jemand im Raum ist.

18
    Da ich nichts mehr sehe, funktionieren meine anderen Sinne umso besser. Der neue Mann im Raum trinkt Chicorée-Kaffee und raucht kubanische Zigarren - dem Geruch nach Romeo y Julietas.
    »So. Oberst Alexei Volkowoj. Freut mich, Sie kennenzulernen, wenn auch unter diesen widrigen Umständen.«
    Er hat eine Stimme wie ein Radiomoderator. Voll und weich wie Mokka-Eis. Ich bin froh, dass die Haube meine Überraschung verbirgt. Er kann meinen Rang nur kennen, wenn er ein wichtiges Amt in der russischen Regierung bekleidet. Was den Rest der Welt betrifft, wurde ich vor drei Jahren als Invalide entlassen.
    »Recht interessant, was in unseren Akten steht«, sagt er mit ironischem Unterton. »Sie sind nicht gerade ein Langweiler.«
    Chicorée-Kaffee, Romeos und perfektes Russisch mit einem seltsam vertrauten nordischen Akzent - ich brenne mir jedes Detail in mein Gedächtnis ein.
    »Wie darf ich Sie nennen?«, frage ich.
    Er macht ein schnalzendes Geräusch mit den Lippen. Ich merke, dass ihm die Frage gefällt. Er mag die Aufmerksamkeit, das Streicheln seines Egos, wie eine Katze, die sich den eigenen Pelz leckt.
    »Nennen Sie mich Peter. Ich mag es, den Klang eines Zarennamens zu hören. Ich denke, das passt.«
    Peter der Große, Sofia Alexejewnas Bruder. Ich frage mich, ob das ein Zufall ist.
    »Das Mädchen ist wirklich bemerkenswert«, sagt er.
    »Das wissen Sie natürlich. In mancher Hinsicht stärker als Sie, Alexei. Ich darf Sie doch so nennen? Ich dachte, Sie mögen es vielleicht lieber als Oberst .«
    Ich gebe mir alle Mühe, nicht zu erstarren, als er Valja erwähnt. Er wartet auf eine Antwort, aber ich schweige.
    »Wo war ich stehen geblieben?«, sagt er nach einem Moment. »Ah ja. Das Mädchen. Man müsste sie nur in Frauenkleider stecken und ihr die lächerlichen Kontaktlinsen wegnehmen, und schon würde sie eine erstklassige Kurtisane abgeben.«
    Wieder wartet er auf eine Reaktion. Vielleicht denkt er, es verletzt mich, wenn er Valja eine Prostituierte nennt. Er seufzt, wahrscheinlich, weil er glaubt, ich hätte die Beleidigung nicht mitbekommen. Meine verschärfte Wahrnehmung verleitet mich zu der Annahme, dass er auf seltsame Art befangen ist, so wie extrem intelligente Menschen es manchmal sind, als wäge er jedes seiner Worte auf den richtigen Klang ab.
    »Wie ich schon sagte, sie ist stärker als Sie. Das hat sie bereits gezeigt. Sie lachte, als ich ihr erklärte, wir seien in der Lage, Sie in Stücke zu schneiden und sie Ihnen einzeln zum Fraß vorzuwerfen.« Er macht erneut eine Pause, um seiner Drohung Gewicht zu verleihen. »Sie werden nicht lachen, wenn ich Ihnen sage, dass wir in der Lage sind, ihr dasselbe und Schlimmeres anzutun. Werden Sie doch nicht, oder, Alexei?«
    »Nein. Ich sage Ihnen, was immer Sie wissen wollen.«
    »Natürlich«, schnurrt er. »Aber … wie soll ich es sagen? Ich habe das Gefühl, Sie könnten vielleicht nicht alles sagen wollen. Das gehört zu Ihrem Training, nicht wahr? Training gemischt mit einem Schuss persönlicher Neigung.«
    Er schleift einen Stuhl an meinen heran und setzt sich.
    »Überraschen Sie mich«, sagt er.
    Durch die Haube erzähle ich ihm von der Leda und von Lipmans und Arkadijs Verrat. Er scheint fasziniert von der Geschichte des Gemäldes zu sein, seiner Verbindung zu Sofia und seinem Wert, auf eine Art, die mich glauben lässt, dass er nicht mit mir spielt, zumindest nicht in diesem Punkt. Aber irgendetwas an der Art, wie er seine Fragen stellt, erweckt in mir den Eindruck, dass sein eigentliches Interesse woanders liegt.
    »Ihr Freund hatte recht damit zu glauben, dass seine Herkunft das Bild noch wertvoller macht«, sagt er. »Sofia Alexejewna ist noch heute eine Quelle der Faszination. Diese Brillanz und dieser Ehrgeiz, eingesperrt in einem Nonnenkloster. Wie muss sie innerlich gebrodelt haben all diese endlosen Jahre über.«
    Ich mache mir nicht die Mühe, ihn darauf

Weitere Kostenlose Bücher