Russisches Abendmahl
hinzuweisen, dass Lipman kein Freund von mir ist, deswegen bleibt er dabei.
»Wie wollte Ihr Freund erklären, wie das Bild in seinen Besitz gekommen ist?«
»Er plante, ein Werk aus dem späten siebzehnten Jahrhundert zu kaufen, die Leda dahinter zu verstecken und dann zu behaupten, er habe es beim Restaurieren entdeckt, so wie es mit dem Mignard der Fall war.«
»Bevor oder nachdem er es verkauft hat?«
»Beides. Der Käufer muss von Anfang an eingeweiht sein. Die meisten wollen wahrscheinlich, dass er seine angebliche Entdeckung zuerst macht, damit das Risiko bei ihm liegt. Andere finden es vielleicht reizvoll, daran beteiligt zu sein und das Bild selbst zu entdecken.«
»Das ist ein guter Plan«, sagt Peter. Seine Mokkastimme tropft zuckersüß vor Gier und vor noch etwas anderem. Ich meine, eine merkwürdige Sehnsucht gemischt mit unterdrückter Wut rauszuhören, aber das ergibt keinen Sinn. »Der durchaus klappen kann.«
Die Haube juckt, aber ich kann mich nicht kratzen, also konzentriere ich mich auf meinen unsichtbaren Gegner. Peter stammt aus dem Baltikum, schätze ich. Vielleicht ein ehemals hochrangiger Kommunist. Militär oder KGB, obwohl er für beides zu sanft wirkt. Je länger ich über ihn nachdenke, desto mehr entscheide ich mich für die Politik. Ich muss ihn dazu bringen, weiterzureden. Jedes Wort kann helfen.
»Sie meinen, hätte klappen können «, sage ich.
»Ich meine, dass es klappen kann . Warum sind Sie hier?«
»Ich bin hinter Lipman her.«
»Was ist mit dem anderen? Arkadij Borodenkow?«
»Hängt tot in einer Moskauer Kunstgalerie.«
»Was für eine Galerie?«
»Der Besitzer heißt Henri Orlan.«
Er gibt einen kehligen Laut von sich. Was auch immer er über Orlan weiß, es gefällt ihm nicht.
»Ist Orlan auch tot?«, fragt er.
»Das weiß ich nicht.«
»Was schätzen Sie?«
»Orlan und Lipman steckten von Anfang an unter einer Decke. Arkadij war der Lockvogel, um an mich heranzukommen, weil ich die Sache planen und gleichzeitig durchführen kann. Jemand, den man falls nötig opfern konnte.«
Maxim und den General lasse ich außen vor. Und auch Jelena Posnowa erwähne ich nicht, was mir nicht schwer fällt, da ich über ihre Rolle sowieso nichts weiß.
»Wer war noch involviert?«
Der Klang seiner Frage löst Assoziationen in mir aus. Plötzlich weiß ich, dass hier Peters eigentliches Interesse liegt. »Orlan hat Moskau mit einer Frau namens Jelena Posnowa verlassen«, erzähle ich ihm und konzentriere all meine Sinne auf seine Reaktion.
Er hält den Atem an, wenn auch kaum wahrnehmbar. Das leichte Zischen wäre mir wahrscheinlich entgangen, hätte ich nicht genau darauf gewartet. »Was wissen Sie über sie?« Die Frage klingt beiläufig, ähnlich wie alle seine Fragen.
Ich erinnere mich daran, wie Nigel Bolles sie mir gegenüber erwähnte, so wie er kurz zuvor Henri Orlan ins Spiel gebracht hatte. Verschiedene Fährten, die man mir ausgelegt hat und die alle zum selben Ergebnis führen, dessen bin ich mir sicher. Ich frage mich, inwiefern Posnowa in all das verwickelt ist, was passiert ist, seit Maxim mich gefragt hat, was ich über Kunst wisse. »Sie hat mit Kunst zu tun. Soweit ich informiert bin, ist sie Professorin an der Universität. Ansonsten weiß ich nichts über sie.«
Peter rutscht auf seinem Stuhl zurück, steht auf und geht ein paar Schritte. Der Fußboden ist gefliest. Die Schuhsohlen sind weich, eventuell aus Gummi wie bei Sportschuhen, aber ich tippe eher auf teure Loafers mit Gummibeschichtung. Als er vor mir stehen bleibt, stelle ich mir einen großen Mann in maßgeschneiderter Freizeitkleidung vor, der die Hände hinterm Rücken verschränkt und mich ansieht. Das muss nicht stimmen, aber es ist das, was ich vor meinem inneren Auge sehe, und darauf vertraue ich.
Seine Stimme fällt um eine Oktave. »Ich weiß von Ihnen und dem kleinen General, Alexei.«
Ich gebe keinen Ton von mir, abgesehen von meiner unveränderten Atmung. Vielleicht ist er doch Soldat.
»Er benutzt Sie, so wie Lipman Sie benutzt hat. Nur dass er Sie noch braucht, deswegen gibt er vor, Ihnen gegenüber loyal zu sein. Ich erwarte nicht, dass Sie mir glauben. Ich kenne Männer wie Sie. Sie denken, Loyalität sei etwas wert. Um es anders auszudrücken, Sie sind zu dumm, um die Wahrheit zu sehen.«
Obwohl meine Zweifel bezüglich des Generals noch nicht verflogen sind, glaube ich nicht mehr, dass er mich reingelegt hat. Jedenfalls nicht in diesem Punkt. Er hat mich zu Strahow
Weitere Kostenlose Bücher