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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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aneinander, der perfekte Ort für ein Hotel, das sich an reiche europäische und amerikanische Touristen wendet.
    Ein weiß behandschuhter Portier lässt mich in ein marmornes Foyer, links neben der Rezeption befinden sich der Sitzbereich, die Bar mit ihren funkelnden Spirituosen und das in der spätnachmittäglichen Schläfrigkeit fast leere Restaurant. Ein überdrehtes rotbraunhaariges Mädchen am Empfang begrüßt mich wie einen frisch eingetroffenen Gast. Sie spricht Englisch, die internationale Sprache. Mein Englisch ist gut, wurde mir jedenfalls gesagt.
    Ich trage mein neues Kostüm und mache auf Professor. »Ich bin mit einem Ihrer Gäste verabredet. Dr. Rolf Lipman.«
    Die lila lackierten Fingernägel rattern über die Tastatur. Sie sieht auf den Monitor. Ihr Lächeln zerfällt, sie runzelt verwirrt die Stirn und drückt die Wirbelsäule durch, offenbar um sich auf einen Streit mit einem verwöhnten Hotelgast vorzubereiten. »Dr. Lipman hat vor zwei Tagen ausgecheckt, Sir. Aber seine Begleitung ist noch bei uns.«
    Ich gebe mich überrascht. Sehe demonstrativ auf meine Uhr und frage mich, ob die Begleitung Henri Orlan oder Jelena Posnowa ist.
    »Ich bin mir sicher, dass das Treffen für heute vereinbart war.«
    Sie beißt sich auf die Oberlippe, zuversichtlich, dass ich ihr nicht die Schuld geben werde. »Es tut mir leid, Sir. Vielleicht kann der Manager …«
    Ich unterbreche sie, indem ich ihr mit meiner Hand ein Zeichen gebe. Der Manager ist der Letzte, den ich jetzt sprechen will. »Das wird nicht nötig sein. Wahrscheinlich haben sich Dr. Lipmans Pläne geändert. Ich war auf meinem Flug von New York nicht erreichbar.«
    Als ich New York erwähne, wirft sie erneut einen Blick auf den Monitor. Ich frage mich, ob einer von ihnen die Stadt als Ziel angegeben hat.
    »Hat er eine Nachricht hinterlassen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Aber vielleicht kann seine Begleitung Ihnen weiterhelfen.«
    »Dr. Posnowa?«
    »Neiiin.« Sie scheint zum ersten Mal misstrauisch zu werden und sich daran zu erinnern, was man ihr über die Privatsphäre von Hotelgästen beigebracht hat.
    Posnowa kann unter anderem Namen abgestiegen sein. »Nun, es muss jemand von der Technik gewesen sein. Wie sieht sie aus?«
    Sorgenfalten zeichnen sich auf ihrer Stirn ab. Ich habe mich im Geschlecht geirrt. Die Begleitung ist Orlan, nicht Posnowa. »Ich hole am besten den Manager.«
    Sie huscht durch die Tür in den Raum mit Milchglasscheiben hinter ihr. Ich schlendere unauffällig zur Bar, nehme Brille und Hut ab, werfe das Jackett über den Arm und setze mich auf einen Barhocker. Im Spiegel des Sitzbereichs gegenüber der Lobby kann ich die Rezeption beobachten. Das Mädchen mit den rotbraunen Haaren kommt zurück, im Schlepptau einen stämmigen, in einen schwarzen Anzug gequetschten Tschechen. Er sieht sich um, während sie sich zu erklären versucht, dann blafft er sie an, weil sie seine Zeit verschwendet, und verschwindet wieder. Geknickt sackt sie in sich zusammen und spielt mit einem Finger im Haar. Als sich ein Pärchen nähert, ist sie wieder bei der Sache.
    Ich nippe an einem Glas polnischen Wodka und versuche mich zu erinnern, wie Valja Orlan beschrieben hat.
     
    Als das Mädchen vom Empfang Dienstschluss hat, ziehe ich in die Lobby um und tue so, als lese ich in einer amerikanischen Zeitung. Um neun suche ich mir im Restaurant einen Tisch, von dem aus ich einen Teil der Lobby überblicke, und würge ein fades Essen herunter - mein erstes seit fast zwei Tagen. Von Zeit zu Zeit nippe ich an einem Kaffee, bis mir die Aufdringlichkeit des Kellners zu verstehen gibt, dass es Zeit ist zu gehen. An der Bar bestelle ich noch einen Kaffee. Ich bin todmüde, will aber keine Nacht untätig verstreichen lassen. Gerade als ich überlege, wie ich mir Zugang zum Hotelcomputer verschaffen kann, tritt ein schlaksiger Mann mit einer eulenhaften Brille aus dem Fahrstuhl, streift sich ein Jackett über und schreitet in die Nacht hinaus.
    Orlan sieht genauso aus, wie Valja ihn beschrieben hat - eine Eule mit den Gliedmaßen eines Kraken. Ich folge ihm wie eine Katze auf der Pirsch. Segelohr denkt, ich würde ihn nicht bemerken, als er sich an meine Fersen heftet.
    Schmale Bürgersteige führen uns durch Nebelstrudel zu einem fünfstöckigen gotischen Gebäude bei der Karlsbrücke. In den ersten drei Etagen haust ein in der Brust hämmernder Technoclub. Auf der Straße und der Brücke wimmelt es von unter Alkohol und Drogen stehenden Jugendlichen.

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