Russisches Abendmahl
dahinkriechen. Ein vorbeifahrendes Auto beleuchtet das Innere eines amerikanischen SUV mit zwei Silhouetten, die aussehen wie Figuren auf einem Schießplatz. Die Männer vom Geheimdienst sind da und halten die Augen offen.
Um sechs Uhr morgens schlurft eine Frau mit einem ausgewaschenen Schultertuch aus der Lobby, einen Hotelboy im Schlepptau, der einen Gepäckwagen hinter sich herzieht, mit einer Ledertasche, die er problemlos hätte selbst tragen können. Ihr Kopf hängt so tief nach unten, dass ihr zottiges graues Haar das Gesicht bedeckt. Ihr lila Rock schleift über den Bürgersteig. Von weitem erinnert sie mich an Mascha. Bis ihr Fuß an einer Kante abzurutschen droht und sie elegant das Gleichgewicht wiedererlangt.
Ich taste nach einem Hundert-Dollar-Schein in der Tasche der abgetragenen Jacke, die ich in dem Secondhandladen in Prag gekauft habe. Überquere die Straße zur überdachten Auffahrt und werfe dabei einen Blick auf den parkenden SUV, aber dort rührt sich nichts. Posnowas Verkleidung scheint soweit ganz gut zu funktionieren. Als ich dort ankomme, liegt ihre Tasche bereits im Kofferraum eines Taxis. Der Hotelboy fasst sie am Arm und hilft ihr in den Wagen. Er richtet sich auf und guckt enttäuscht, als er kein Trinkgeld bekommt. Ich klopfe ihm auf den Rücken und sage »Danke«. Als er zur Seite tritt, schlüpfe ich auf den Sitz neben Posnowa, stecke den Hunderter durch die Öffnung in der Trennscheibe und sage zum Fahrer: »Ins Shea Hotel an der Neunundfünfzigsten West bitte.« Er düst los.
Posnowa erstarrt. Ihre indigoblauen Augen verengen sich und flackern dann plötzlich auf, als sie den Lauf von Segelohrs kleinem Revolver in ihrer Seite spürt.
»Wer sind Sie?«
»Das wissen Sie bereits.«
Der Taxifahrer dreht die Rapmusik auf. Der Hunderter hat dafür gesorgt, dass er sich nicht weiter um uns kümmert.
»Ich habe Sie gestern gesehen, aber das bedeutet nicht, dass ich weiß, wer Sie sind oder was Sie wollen.«
Ihr herablassender Tonfall gefällt mir nicht. Sie ist es anscheinend gewohnt, dass Männer sie mit Ehrerbietung behandeln und sich ihr gegenüber unterwürfig verhalten. Ich unterdrücke die Wut, die in mir zu explodieren droht. »Sie wissen beides.«
Sie schiebt ihre temperamentvolle Unterlippe vor. »Sie müssen mich mit jemandem verwechselt haben.« Sie schält sich aus ihrem Schultertuch, dreht und windet sich, bis sich ihre Brüste gegen die blaue Seidenbluse drücken, und spielt die Verführerin.
Ich presse die Pistole tiefer in ihre Flanke, starre aus dem Wagen auf die vorbeiziehenden Häuser und wünschte, sie würden sich schneller bewegen.
»Wohin bringen Sie mich?«
»An einen ruhigen Ort, von wo aus Sie Ihrem Mann raten können, das zu tun, was ich sage.«
Sie zieht den Kopf ein und nimmt die Perücke ab. Rabenschwarzes Haar fällt über ihre Schultern, als sie die Arme hebt und den Rücken krümmt. Ein betörender Duft steigt auf und setzt sich gegen den abgestandenen Taxigeruch von muffigem Teppichboden und ungewaschenen Körpern zur Wehr.
»Tun Sie das nicht. Lassen Sie uns über alles reden. Nur Sie und ich.«
»Nein.«
Ihre Gesichtszüge verhärten sich. »Sie sind also jetzt sein Schoßhündchen, ja?«
»Wenigstens hab ich ihn nicht geheiratet.«
Ihre Augen werden kalt und ihre Lippen zittern vor Bitterkeit. »Was wissen Sie schon?«
Ich weiß genug. Sie ist die Königin - der Grund für Valjas Leid. Diese Person glaubt, sie könne mich mit ihrer Schönheit um den Finger wickeln wie Lipman oder Pappalardo oder Peter, und jetzt ist die Zeit gekommen, ihr zu zeigen, dass sie sich irrt.
Ich stoße ihr den Lauf so kräftig in die Rippen, dass ihr die Luft wegbleibt. Ein Knacken sagt mir, dass eine ihrer Rippen gebrochen ist. Sie kollabiert wie ein japsendes Bündel. Der Fahrer hat den Spiegel weggedreht, sodass er nicht mehr in unsere Richtung zeigt, und tanzt im Sitzen zum Rhythmus der Musik.
Ich ziehe Posnowa an mich. Drücke ihr Gesicht in meine Jacke. Packe ihren rechten kleinen Finger mit meiner freien Hand und knicke ihn nach hinten. Es klingt und fühlt sich an, als würde ich einen dicken Zweig durchbrechen. Ich presse sie fest an mich, um ihre Schreie abzudämpfen und mich gegen ihre Schläge zu wehren. Viermal wiederhole ich die Prozedur, bis ich alle vier Finger in unmöglichen Winkeln verbogen habe und sie vor Schmerzen ohnmächtig geworden ist.
Ich lehne mich in den eingerissenen Vinylsitz zurück. Mein Herz schlägt langsam. Meine Sinne
Weitere Kostenlose Bücher