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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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geben etwas von ihrem alten Humor zu erkennen.
    »Aber deswegen hast du mich nie weniger geliebt.«
    »Du bist ein Mann.«
    »Und du bist immer noch die schönste Frau auf der Welt.«
    »Warte, bis du es gesehen hast«, sagt sie, klingt dabei aber schon nicht mehr ganz so grimmig.
    »Wir schicken dich nach Amerika, dann bekommst du eine Prothese, so eine wie meine, oder besser.«
    Sie nickt abwesend. Ihr Blick ist wieder aus dem Fenster gerichtet. »Sie haben nicht mal versucht, ihn wieder anzusetzen. Der Arzt hat mir erzählt, dass du darauf bestanden hast, aber da war es schon zu spät. Die Nervenbahnen seien zerstört, meinte er.«
    Meine Hände verkrampfen sich um das Lenkrad, obwohl ich etwas Ähnliches erwartet habe.
    »Wenigstens konnte ich so früher weg«, sagt sie, aber es klingt nicht sehr überzeugend.
    »Was ist mit Peter Wjugin?«
    »So heißt er? Er hat schreckliche Angst, dass du die Frau, die er liebt, tötest.«
    »Was soll ich mit ihr machen?«
    Valja ist jetzt seit mehr als vier Jahren meine Freundin und Geliebte. Mehr als das, sie ist mein Rettungsanker, sie hilft mir, die Dämonen in meinem Kopf in Schach zu halten, und hält mich davon ab, allzu großen Schrecken über die Welt zu bringen. »Im Krieg sind Dinge erlaubt, die es in anderen Zeiten oder an anderen Orten nie wären«, hat sie einmal zu mir gesagt, zu Recht, und ich habe seitdem immer versucht, meine schlimmsten Triebe unter Kontrolle zu halten.
    Es dauert mehrere schmerzhafte Sekunden, bis sie sich zu mir dreht und mir direkt ins Gesicht sieht. Ich wende den Blick von der Straße ab und treffe ihren. In ihren Augen brennt Hass.
    »Zieh ihr die Haut vom Leib, Stück für Stück. Hol dir einen Schweißbrenner. Lass es eine Ewigkeit dauern. Und dann töte ihn auf dieselbe Art.«

34
    Beim Loft angekommen, habe ich Mühe, Valja in den Fahrstuhl und den kurzen Flur entlang bis zur Tür zu bekommen. Ich halte die Schlüsselkarte vors Schloss. Die Tür klickt auf. Ich gehe vor ihr hinein. Jedes Klopfen ihrer Krücken lässt mich zusammenzucken. Wir gehen auf Posnowa zu, die mit dem Rücken zu uns auf dem Boden kauert. Als wir näher kommen, dreht sie sich um. Ihre Arme sind immer noch an die Heizung gekettet. Elendig liegt sie in ihrer eigenen Scheiße, schmerzerfüllt und ausgezehrt. Aber in ihren stahlblauen Augen schimmert ein böser Glanz. Einen Herzschlag später weiß ich, wie sie guckt.
    Erwartungsvoll . Der böse Funke in ihren Augen bedeutet Hoffnung. Auf diesen Moment hat Posnowa gewartet.
    Jetzt weiß ich es. Plötzlich sehe ich dieses Teil des Puzzles zum ersten Mal deutlich vor mir. Ich drehe mich um, um Valja davor zu bewahren, aber ich bin zu spät. Sie bleibt wie angewurzelt stehen. Ihre Wangen glühen rot.
    »Hallo, Valja«, sagt Posnowa.
    Valjas Augen rollen nach hinten, kraftlos sinkt sie in meine Arme, während ihre Krücken auf den Boden poltern. Ich trage sie ins Schlafzimmer. Lege ihren glühenden Körper behutsam zwischen die kühlen Laken. Stelle Wasser und Medikamente in Reichweite auf den Nachttisch. Küsse ihre heißen Brauen. Schließe die Tür hinter mir und durchquere den Raum, bis ich über Jelena Posnowa stehe, der Geliebten meiner Geliebten. Die Frau, die sie nicht für mich aufgeben wollte.
    »Ich sollte Sie jetzt töten.«
    »Glauben Sie nicht, Sie sollten erst mal abwarten, was Valja dazu zu sagen hat?«
    »Sie haben sie benutzt«, sage ich einfältig.
    »Nicht ganz so, wie Sie es sich vorstellen«, antwortet sie und fährt sich mit der Zunge über die blutigen Lippen.
    Wenn ich hier bleibe, werde ich sie töten, also verlasse ich das Loft, brennend vor Hass und Eifersucht.
     
    Zwei Stunden später laufe ich immer noch durch die Straßen, als der General anruft und mir die Adresse der Telefonnummer durchgibt, die ich von Pappalardo habe. Ein Wohnhaus in einer luxuriösen Gegend im Osten der Stadt, Hausnummer 804. Moskaus durchnässte Straßen sind in ausgeschüttelten Regenschirmen und in den Sohlen zahlloser Schuhe in die Züge getragen worden, die jetzt nach nasser Baumwolle und Schweiß riechen. Nach zweimal Umsteigen und einem kurzen Spaziergang erreiche ich ein protziges postsowjetisches Hochhaus. Ich rufe Vadim mit der Kurzwahl meines Nokias an und erkläre ihm, was ich von ihm will.
    Der Portier bekommt hundert Dollar, damit er wegsieht. Die Bewohner des Hauses scheinen genug Geld zu haben, um sich funktionierende Fahrstühle leisten zu können. Mit einem von ihnen fahre ich in den achten Stock

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