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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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Gummihandschuhe aus und stopfe sie in die Tasche. Wir biegen noch einmal ab, fahren langsam etwa eine Meile weit, bis Vadim das Taxi in einer kleinen Straße um die Ecke vom Depot abstellt.
    Wir laufen ohne Eile die Noschowij Straße gegenüber der Kirche der Großen Auferstehung entlang. Mein Magen knurrt.
    »Sollen wir irgendwo etwas frühstücken?«
    Er nickt kurz. »Klar.«
    Er führt mich zu einem Tataren mit Walnusshaut und einem dünnen Bart, einem sunnitischen Moslem, den Vadim nach einem der ersten Bombenattentate kennenlernte, mit denen in Moskau gegen die Tschetschenienpolitik protestiert wurde. Wir bekommen einen Extratisch in der Ecke. Vadim bittet den Tataren um eine Papiertüte, in die ich Maxims 38er stecke. Nachdem wir bestellt haben, rufe ich Maxim von meinem Nokia an. Er geht beim ersten Klingeln dran.
    »Ist erledigt«, sage ich.
    »Hör zu«, knurrt er. Durch das Telefon ist der aufgeregte Bariton eines Nachrichtensprechers zu hören, der vom Chaos auf dem Nowy Arbat berichtet. Maxims schwerer Atem unterlegt das Gebrabbel über Auftragskiller und Gangster mit einem sonoren Rhythmus. Dann wird der Fernsehton leiser, scheinbar dreht er die Lautstärke runter. »Wo bist du, Volk?«
    Ich nenne ihm den Namen und die Adresse des Cafés.
    »Mein Mann kommt vorbei. Um die Pistole abzuholen.«
    Ich höre nur noch sein Schnauben und das dumpfe Schlagen in meiner Brust. Es kann nichts Gutes bedeuten, wenn Maxim darauf besteht, dass ich seine Waffe benutze und sie ihm danach zurückgebe. »Ich bin hier«, sage ich, und Maxim legt auf.
    Maxims Mann, der Ukrainer, ist in weniger als einer Stunde da. Mit seinen vorquellenden Augen und der hohen Stirn sieht er aus wie ein alternder Frosch. Er weicht meinem Blick aus und eilt ohne ein Wort hinaus, kaum dass ich ihm die Tüte gegeben habe.
    Nach dem Frühstück bin ich müde und nicht in der Lage, Vorbereitungen wegen Dudajew zu treffen. »Ich komme später ins Café.«
    Vadim zuckt gleichgültig die Schultern.
    Ich trotte allein nach Hause.
     
    Als ich ankomme, ist Valja wach und sieht sich im Fernsehen das Chaos auf dem Nowy Arbat an. »Warst du das?«, fragt sie.
    »Ja. Und in den nächsten Tagen ist noch einer dran.«
    Sie verzieht das Gesicht und drückt auf die Fernbedienung. Der Fernseher geht aus. »Sie haben gesagt, dass er dem Land Gutes gebracht hätte.«
    »Was hast du mit Posnowa gemacht?«
    »Kasia. Sie heißt Kasia.«
    »Wie auch immer. Was hast du mit ihr gemacht?«
    Sie sieht weg. »Ich habe Alla gesagt, sie soll den Arzt holen. Und dann … sie wird uns keinen Ärger mehr machen.«
    »Woher zum Teufel willst du das wissen?«
    Sie beißt sich auf die Unterlippe und kneift die Augen zusammen. »Ich weiß nicht, ob ich so leben kann«, sagt sie.
    Posnowa war von Anfang an involviert. Ich wüsste nicht, was sie daran hindern sollte, weiter nach den Bildern zu suchen und sich außerdem an mir rächen zu wollen. Valjas Entscheidung, sie gehen zu lassen, war entweder hoffnungslos naiv oder einfach extrem illoyal.
    Ich gehe ohne noch etwas zu sagen. Ich habe eine Wohnung an der Soljanka Straße, nicht weit vom Loft. Den restlichen Vormittag und frühen Nachmittag verbringe ich dort und schlafe.
     
    Später am Nachmittag steuere ich den Mercedes in den nördlichen Teil der Stadt. Stalins ausdruckslose Gebäude im neoklassizistischen Stil vermischen sich mit späteren grauen Blockbauten - entworfen von sowjetischen Architekten, die angehalten waren, westliche Exzesse zu vermeiden - und moderneren, schnell errichteten Legohäusern in bunten Farben und mit Spiegelglas, die infantile Vision von Moskaus selbstherrlichem Bürgermeister Luschkow. In diesem unzusammenhängenden Baustil zeichnet sich der Mikrokosmos Moskaus ab, mit seinen vergeblichen ökonomischen Verrenkungen, die zu nichts führen, während das alte Moskau vor aller Augen zugrunde geht.
    Dudajew wohnt in einem der scheußlichen Legohäuser, diesen blau getönten Glaskästen, die gebieterisch über dem Sokolniki-Park emporragen. Die Abneigung des Generals gegen diese Monstrosität ist verständlich. Der Eingang zur Lobby liegt nach hinten versetzt, unter dem vorstehenden Aufbau der restlichen Etagen. Der überdachte Vorplatz öffnet sich zu einem breiten Gehweg. Es ist derselbe Gehweg wie auf dem Foto, das mir der General gegeben hat.
    Ich hinke den Bürgersteig entlang in westlicher Richtung, einer leichten Brise entgegen. Der Eingang wird von einem mürrisch blickenden Portier bewacht.

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