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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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möglichen Kaufmannskrankheiten.
    Doch was half ’s, einstiger Erfolge zu gedenken. Sie mußten aus Moskau abziehen wie die Franzosen – mit langer Nase. Momus nahm an, daß auf den Bahnhöfen Geheimagenten ihnen auflauerten, und traf seine Maßnahmen.
    Um den gefährlichen Herrn Fandorin gnädig zu stimmen, expedierte er die Sachen der Gräfin Addy nach Petersburg. Allerdings konnte er es sich nicht verkneifen, auf das Frachtpapier zu schreiben: »Für die Pikdame vom Pikbuben.« Den Nephrit-Rosenkranz und die amüsanten Stiche schickte er mit der städtischen Post in die Kleine Nikitskaja, schrieb aber aus Vorsicht nichts dazu.
    Auf dem Bahnhof wollte er sich überhaupt nicht zeigen. Die Koffer schickte er vorab zum Brjansker Bahnhof, damit sie in den morgigen Zug verladen würden. Er und Mimi würden zu Fuß gehen. Hinter dem Dorogomilowoer Stadttorwollte er einen Droschkenschlitten mieten, bis zur ersten Bahnstation Moshaisk fahren und sich erst hier wieder mit seinem Gepäck vereinigen.
    Die Stimmung war gedrückt. In Moskau aber wurde der Sonntag vor den Großen Fasten gefeiert, der Vergebungstag, letzter Tag der übermütigen Fastnachtswoche. Morgen in aller Frühe würde das Fasten und Beten beginnen, dann würden die bunten Luftballons von den Straßenlaternen entfernt und die malerischen Marktbuden auseinandergenommen werden, und es würde weniger Betrunkene geben, doch heute feierte das Volk noch, aß und trank.
    Beim Smolensker Markt wurde mit der »Diligence« auf einem riesigen Holzberg gerodelt – Gejohle, Gepfeife, Gekreisch. Überall wurden heiße Bliny feilgeboten, gefüllt mit Heringsköpfen, mit Grütze, mit Honig, mit Kaviar. Ein türkischer Zauberkünstler mit rotem Fes schob sich krumme Jatagane in den weißgezähnten Rachen. Ein Gaukler lief auf den Händen und zappelte lustig mit den Beinen. Ein schwärzlicher Kerl mit Lederschurz und nackter Brust stieß Flammen aus dem Mund.
    Mimi drehte den Kopf nach allen Seiten wie ein Lausbub. Sich in ihre Rolle einlebend, verlangte sie einen giftroten Hahn am Stöckchen und leckte vergnügt mit spitzem rosa Zünglein an diesem garstigen Naschwerk, obwohl sie im gewöhnlichen Leben Schweizer Schokolade bevorzugte, von der sie am Tag bis zu fünf Tafeln verdrücken konnte.
    Aber nicht alle auf dem buntwimmelnden Platz amüsierten sich und überfraßen sich mit Bliny. Vor der reichen Kaufmannskirche Unserer Lieben Frau von Smolensk saßenin langer Reihe Bettler, verneigten sich tief, baten die Rechtgläubigen um Vergebung und vergaben selbst. Für die Armen war heute ein wichtiger, einträglicher Tag. Viele Leute gaben ihnen Bliny, Wodka, ein wenig Geld.
    Aus der Kirche trat schweren Schritts ein reicher Protz auf den Vorplatz; er trug einen offenen Hermelinpelz, und sein kahler Kopf war unbedeckt. Er bekreuzigte seine gedunsene, nicht eben gottgefällige Visage und rief schallend: »Vergib mir, rechtgläubiges Volk, wenn Samson Jeropkin irgendwie gefehlt hat!«
    Die Bettler kamen in Bewegung, riefen durcheinander: »Vergib auch du uns, Väterchen! Vergib uns, Wohltäter!«
    Sie erwarteten milde Gaben, aber keiner drängte nach vorn, alle stellten sich flink in zwei Reihen auf, um einen Durchgang freizumachen bis zu der Stelle, wo ein luxuriöser Schlitten auf den Geldsack wartete, lackiert und mit Pelzen ausgelegt.
    Momus blieb stehen, um zu erleben, womit dieser Fettback sich das Himmelreich erkaufen würde. Seiner Fresse war schließlich anzusehen, daß er ein Blutsauger und Menschenschinder war, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte, und doch war er scharf darauf, ins Paradies zu kommen. Wie hoch mochte er sein Eintrittsbillett veranschlagen?
    Hinter dem schmerbäuchigen Wohltäter schritt, ihn um anderthalb Köpfe überragend, ein bärenstarker schwarzbärtiger Vierschrot mit dem Gesicht eines Scharfrichters. Um den rechten Unterarm gewickelt, trug er eine lange Lederknute, in der Linken einen leinenen Geldbeutel. Ab undzu drehte sich der Herr nach seinem Knecht um, griff in den Beutel und schenkte den Bettlern je eine Münze. Als ein beinloser alter Mann ungeduldig außer der Reihe nach einem Almosen greifen wollte, stieß der Schwarzbart ein drohendes Brüllen aus, wickelte mit einer blitzschnellen Bewegung die Peitsche ab und versengte dem Bettler mit einem heftigen Schmitz den blaugrauen Schädel, so daß er aufstöhnte.
    Der Dickwanst im Hermelinmantel legte in die ausgestreckten Hände je eine Münze und sprach jedesmal dazu: »Nicht

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