Russisches Poker
für euch, nicht für euch, ihr Saufbolde – für den allgütigen Herrgott und für das Mütterchen Fürbitterin, auf daß dem Gottesknecht Samson seine Sünden vergeben werden.«
Momus sah genauer hin und konnte seine Neugier stillen: Wie er vermutet hatte, kaufte sich der Fettback wohlfeil von der feurigen Hölle los, denn er spendete den Armen je eine Kupferkopeke.
»Die Sünden des Gottesknechts Samson scheinen nicht groß zu sein«, murmelte Momus hörbar und wollte seines Wegs gehen.
Eine heisere, versoffene Stimme dröhnte ihm direkt ins Ohr: »Doch, sehr groß, Junge. Du bist wohl nicht aus Moskau, wenn du den Jeropkin nicht kennst?«
Neben Momus stand ein zerlumpter hagerer Mann mit nervös zuckendem erdgrauem Gesicht. Er stank nach Fusel, und sein Blick, den er an Momus vorbei auf den filzigen Spender geheftet hielt, glühte vor grimmigem Haß.
»Dieser Samson Jeropkin saugt halb Moskau das Blutaus«, klärte er Momus auf. »Die Schlafplätze in Chitrowka, die Schenken in Gratschi, am Sucharewka-Platz, auch in Chitrowka, die gehören fast alle ihm. Er kauft den Dieben Sore ab und verleiht Geld zu Wucherzinsen. Kurz und gut, ein Vampir, eine eklige Giftnatter.«
Momus warf mit frisch erwachtem Interesse einen Blick auf den unsympathischen Fettwanst, der eben in den Schlitten stieg. Sieh mal an, was gab es nicht für markante Typen in Moskau!
»Und die Polizei kann ihm nichts anhaben?«
Der Zerlumpte spuckte aus.
»Ha, Polizei! Der geht doch beim Generalgouverneur, Fürst Dolgorukoi, ein und aus. Na, klar, Jeropkin ist ja General! Als die Kirche gebaut wurde, hat er von seinen Gewinnen schleunigst ne Million gespendet, dafür hat er vom Zaren einen Stern am Bande gekriegt und einen Posten in der Gottgefälligen Gesellschaft. Aus Samson dem Blutsauger wurde ›Exzellenz‹. Dieser Dieb und Mörder!«
»Na, ein Mörder wird er vielleicht doch nicht sein«, sagte Momus zweifelnd.
»Nicht?« Der Zerlumpte sah seinen Gesprächspartner zum erstenmal an. »Samson selbst macht sich natürlich nicht die Hände blutig. Aber hast du den stummen Kusma gesehen? Den mit der Knute? Das ist kein Mensch, das ist eine Bestie, ein Kettenhund. Der kann einen Menschen bei lebendigem Leib in Stücke reißen. So was hat’s gegeben. Junge, von denen ihren Geschäften kann ich dir ne Menge erzählen!«
»Na, komm mit, erzähl. Wir setzen uns zusammen, ichspendiere einen.« Momus hatte nichts weiter vor, und der Mann schien interessant zu sein. Von solch einem konnte er viel Nützliches erfahren. »Ich geb bloß meinem Jungen ein bißchen Geld zum Karussellfahren.«
Sie setzten sich in eine Schenke. Momus bestellte für sich Tee und Kringel und für den Trinker eine Vierkantflasche Wacholderschnaps nebst gesalzenem Blei.
Der Mann leerte langsam und würdevoll ein Glas und knabberte am Fischschwanz. Dann holte er weit aus.
»Du kennst Moskau nicht und hast bestimmt von den Sandunow-Bädern noch nicht gehört?«
»Doch, die sind ja bekannt«, antwortete Momus und schenkte ihm nach.
»Ja, das sind sie. Ich war dort in der Herrenabteilung der erste Mann. Den Jegor Tischkin hat jeder gekannt. Zur Ader lassen, Schwielen abhobeln, erstklassig rasieren – hab ich alles gekonnt. Berühmt aber waren meine Körpermassagen. Gescheite Hände hatte ich. Ich hab das Blut in Schwung gebracht, hab Knochen gelockert, und Grafen und Generäle haben bei mir geschnurrt wie die Kätzchen. Ich konnte auch verschiedne Krankheiten kurieren, mit Kräutertees und Pflanzenauszügen. Manchen Monat hab ich bis hundertfünfzig Rubel verdient. Ich hatte ein Haus mit Garten. Ne Witwe hat mich immer besucht, so eine aus dem geistlichen Stand.«
Jegor Tischkin leerte das zweite Glas schon ohne Umstände, in einem Zug, und knabberte nicht am Fisch.
»Jeropkin, diese Laus, hat mich bevorzugt. Jedesmal hater den Tischkin verlangt. Ich wurde auch viele Male zu ihm nach Hause bestellt, war sozusagen sein Mann. Ich hab ihm die verquollene Visage rasiert, die Fettbeulen wegmassiert, ihn von der Mannesschwäche kuriert. Wer hat dem Dicken die Hämorrhoiden weggemacht? Wer hat ihm den Bruch reingedrückt? Ich. Ach, er hatte goldene Finger, der Jegor Tischkin. Und heute ist er ein obdachloser Bettler. Und alles wegen dem Jeropkin! Hör zu, Junge, gib mir noch Schnaps! Meine Seele brennt wie Feuer!«
Nachdem sich der ehemalige Meister der Baderkunst ein wenig beruhigt hatte, fuhr er fort: »Abergläubisch ist er, der Jeropkin! Schlimmer als ein Dorfweib. An
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