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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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wollen.«
    Danach lief das Ganze deutlich flotter. Als er fertig war, verließ er drei blasse Komsomol-Mitglieder, die bestimmt schon überlegten, wen von den anderen sie denunzieren sollten, um die eigene Haut zu retten. Allerdings hatte er nicht die Absicht, solchen Hinweisen nachzugehen. Es war klar, dass sie keine Ahnung hatten. Und wahrscheinlich nicht nur von dem Mord.
    In der Sakristei holte Gerginow seine Kameraausrüstung aus den zwei Koffern, die er mitgebracht hatte. Koroljow musste zugeben, dass Semjonow nicht ganz Unrecht hatte. Der Mann schien denkbar ungeeignet für seine Arbeit. Neben dem Stottern, das sich im Beisein von Fremden weiter verschlimmerte, litt er unter einem Spasmus, der jede Minute einmal durch seinen Körper vibrierte - und noch öfter, wenn er nervös war. Es war sonderbar, wie relativ entspannt er sich daranmachte, die verstümmelte Leiche zu fotografieren. Dabei teilte er sich die Handgriffe so ein, dass er von seinen unfreiwilligen Zuckungen nicht gestört wurde.
    »Ha-haben Sie dem jungen Gemüse o-ordentlich Angst eingejagt?«
    »Sie haben mich gehört? Naja, manchmal muss man schreien, um durchzudringen.«
    »St-stimmt. A-absolut. U-und, haben Sie schon eine Ahnung, wer es war?« Gerginow stellte seinen Apparat für eine Aufnahme ein.
    »Noch nicht. Und die jungen Leute konnten mir auch nicht weiterhelfen. Vielleicht sind wir nach der Autopsie schlauer. Können Sie ein Bild von den Kleidern machen?«
    »Na-natürlich, Genosse. Ich bin allerdings auf zehn Fotografien beschränkt, wenn ich nicht die ausdrückliche Erlaubnis des Generals habe. Der Film wird importiert, Sie verstehen.«
    Das überraschte Koroljow nicht. Auslandsimporte waren teuer. Und die wenigen Devisen, über die der Staat verfügte, benötigte er dringend, um die Ziele des jüngsten Fünfjahresplans einzuhalten.
    »Wie viele haben Sie schon geschossen?« Koroljow war nicht sicher, ob zehn reichten.
    »Vi-vier. Eine Nahaufnahme des Gesichts. Drei Körperbilder von hier, hier u-und hier.« Gerginow deutete auf die Stellen, wo er fotografiert hatte. »Jetzt lichte ich noch die Kleider und die Körperteile ab ... Brauchen Sie sonst noch was? Normalerweise hebe ich mir ein pa-paar für die Autopsie auf.«
    Sorgfältig ließ Koroljow den Blick über die Leiche und dann durch den Raum gleiten. »Die Fußabdrücke hätte ich gern.« Er betrachtete den blutverschmierten Boden. »Ach was, hören Sie, machen Sie alle zehn Bilder hier. Ich rede mit dem General, damit er die Autopsieaufnahmen gesondert genehmigt.«
    »In O-ordnung. Auf Ihre Verantwortung.« Gerginow richtete die Bogenlampe neu aus und wies mit dem Kinn auf das Ohr, das Auge und die Zunge. »Ein Scheusal. Aber irgendwie auch seltsam. Wie die Lei-leiche hingebreitet ist. Als ob er uns mit dem ganzen Ge-gemetzel was sagen wollte. Schauen Sie nur.«
    Der Kamerablitz ließ schwarze Schatten über die Decke sausen. Zum ersten Mal nahm Koroljow wahr, dass die Leiche dalag, als wäre sie gekreuzigt worden. Rasch notierte er sich das in sein Buch. Das konnte etwas bedeuten, vielleicht war es aber nur ein Zufall. Wahrscheinlich lief es auf einen Wahnsinnigen hinaus, aber die elektrischen Brandmale bereiteten ihm Unbehagen.
    Nachdem Gerginow in der Sakristei fertig war, wurde die Tote vorsichtig in einen Leichensack aus Leinen gewickelt und auf eine Bahre gebettet. Dr. Zinaida Petrowna Tschestnowa vom Medizinischen Institut traf gerade rechtzeitig ein, um diesen Vorgang zu überwachen. Sie war fast so beleibt wie Larinin, aber heute wirkte ihr sonst so vergnügtes rundes Gesicht ungewöhnlich verhärmt. Während die Leiche zum Abtransport vorbereitet wurde, ließ sie die abgetrennten Körperteile in dafür vorgesehene Glasgefäße gleiten, die sie ordnungsgemäß beschriftete.
    »Verzeihen Sie die Verspätung, Genosse. Wir haben neue Aufgaben übernommen. Ich musste leider die ganze Nacht arbeiten.«
    Koroljow hütete sich zu fragen, welche neuen Tätigkeiten einer pathologischen Abteilung es erforderlich machten, sich ganze Nächte um die Ohren zu schlagen. Normalerweise waren die Toten eine geduldige Kundschaft. »Keine Sorge, wir sind erst kurz vor Ihrer Ankunft mit den Fotografien fertig geworden. Und was halten Sie von der Sache? Ihr erster Eindruck?«
    Jede Farbe schien aus den Augen der Ärztin gewichen, als sie sich zu ihm wandte. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie einen lebhaften Eindruck auf ihn gemacht, obwohl sie gerade bis zu den Ellbogen in einem

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