Russisches Requiem
Wohnung. »Entschuldigen Sie, Genossin. Ich habe einen langen Tag hinter mir.«
»Treten Sie ein, Genosse Hauptmann.« In ihrer Stimme lag eine gewisse Resignation. Sie folgte ihm zur Gemeinschaftsküche. »Willkommen in Ihrem neuen Zuhause.«
6
Eine leichtere Aufgabe diesmal
,
dachte er, als der Bandit Tesak zu erzählen begann, was er von ihm hören wollte. Offen und ohne Umschweife. Der Kerl war nicht so hart wie sein Name, der »Beil« bedeutete. Bei Burschen wie Tesak wusste man einfach, woran man war. Er warf sich zwar in die Brust, drohte und fluchte, aber letzten Endes war Tesak das Einzige, woran Tesak glaubte. Wenn er in der Tinte saß und vor der Wahl zwischen Vergessen und Überleben stand, entschied er sich immer fürs Überleben. Schließlich konnte jemand wie Tesak niemals in den Himmel kommen, auch wenn es nach dem Tod noch etwas gab.
Sie hatten ihn zwischen die zwei Metallträger gebunden, Arme und Beine weit gespreizt, und dann war er ganz allein mit Tesak, der bereits spürte, dass er aufgespannt war wie ein Balg zum Trocknen. Zuerst hatte der Kerl eine dicke Lippe riskiert, weil er glaubte, es mit einem normalen Polizisten zu tun zu haben, der Informationen wollte. Ein paar Schläge machten ihm nichts aus, hatte er getönt. Sogar angespuckt hatte er ihn. Aber beim Anblick der Handschuhe und der Schürze verging ihm die Großtuerei allmählich, und als die Trickkiste geöffnet wurde, schaute Tesak nicht mehr ganz so selbstbewusst drein.
» Wir leben in einer modernen Welt«, erklärte er Tesak, als er ihm langsam das Hemd aufschnitt. Einer nach dem anderen fielen die Knöpfe auf den Boden und sprangen in alle Richtungen davon.
»Das ist ein neues Hemd, du Scheißbulle.« Tesak gab sich empört, aber es war die Empörung eines verängstigten Mannes. So weit, so gut. Jetzt war es an der Zeit, die Spielregeln festzulegen, also tat er einen Schritt zurück, sah Tesak in die Augen und versetzte ihm dann mit der ganzen Wucht seines Körpers einen Hieb ins Gesicht, der Tesaks Kopf hart gegen seinen ausgestreckten Arm prallen ließ. Jetzt war ihm Tesaks Aufmerksamkeit sicher.
»Glaubst du wirklich, mich interessiert dein Hemd? Was für eine hirnverbrannte Idee. Zuerst mal eine Klarstellung: Ab jetzt redest du nur noch, um meine Fragen zu beantworten, kapiert?«
Tesak blickte ihn an, ein wenig benommen von dem Schlag vielleicht, aber still. Er trat wieder näher, so nahe, dass er den schalen Alkoholdunst in Tesaks Atem roch. Die Augen des Banditen folgten dem Messer, das sich langsam bis zur Höhe seines Bauchs hob.
»Was bedeuten eigentlich diese Tätowierungen?« Er betrachtete die grob geätzten blauen Motive auf der Brust des Mannes. Behutsam legte er die Klinge an die Haut unter den Darstellungen von Marx, Lenin und Stalin, die unter einer sowjetischen Fahne über Tesaks Brust starrten. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du ein Bolschewik bist, Tesak?«
»Bestimmt nicht. Nie im Leben. Das ist nur dazu da, damit Tesak nicht abgeknallt in einem flachen Blumenbeet landet. Rote wie du schießen nicht auf ihre großen Leute. Sonst würdet ihr vielleicht auch so enden.«
»Hast du eine Ahnung, wie scheißegal mir Marx ist?« Er packte Tesaks Hals und rasierte Marx mit einem einzigen sauberen Schnitt weg. Dann drosch er ihm zweimal die Faust ins Gesicht, um die Schmerzensschreie zu unterbinden. Die Äußerung über Marx entsprach natürlich dem Lehrbuch. Plötzliche Veränderungen der erwarteten Parameter einer Situation untergruben die Widerstandskraft. Wimmernd hing Tesak da und starrte ungläubig auf das Blut, das aus seiner Brust quoll.
Während er ihn knebelte, nutzte er die Gelegenheit, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. »Und ich bin auch kein Bulle, du jämmerlicher Gnom. Wenn du mir erzählst, was ich wissen will, kriegst du einen leichten Tod.« Tesaks Augen traten aus ihren Höhlen, als er erneut das Messer hob. »Und wenn nicht?« Um seine eigene Frage zu beantworten, schnitt er Lenin weg. Nun blickte nur noch Stalin über die zerfleischte Brust. Verzweifelt zerrte Tesak an den Schnüren. Also zog er den Maurerhammer aus seiner Tasche und zertrümmerte ihm mit zwei präzisen, harten Schlägen die Kniescheiben. Tesak wimmerte durch den Knebel und hing schiaffin den Fesseln, da ihn seine Beine nicht mehr trugen.
» Wie gesagt, wir leben in einer modernen Welt, und eines der Ruhmesblätter sowjetischer Macht sind unsere Fortschritte auf dem Gebiet der Elektrizität. Bei Strom
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