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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nachzugehen, und das Problem der Verwaltung in Russka hatte er völlig vergessen.
    So griff Daniel im Frühjahr erneut die Frage auf, wie der Klosterbesitz erweitert werden könne.
    Boris' Land, das nun zur opritschnina gehörte, kam natürlich nicht mehr in Frage. Es blieb noch ein anderer Landstreifen etwas nördlicher, der jetzt dem Zaren selbst gehörte. Ob er sich wohl überreden ließ?
    Die Idee war gar nicht so abwegig. Trotz der Beschränkung kirchlicher Landnahmen war Ivan selbst immer noch ein großzügiger Stifter.
    »Er vernichtet seine Feinde, dann läßt er zur Rettung seiner Seele der Kirche etwas mehr zukommen«, war die zynische Bemerkung eines Mönches.
    Mit diesen Gedanken begab Daniel, der Mönch, sich zu dem Bruder, der die Chronik in Verwahrung hatte, und machte sich an die Arbeit. In dem von ihnen verfaßten Dokument, das sie im Februar von dem nervösen Abt unterzeichnen ließen, wurde der Zar an die vielen der Kirche bis dahin selbst unter den Tataren zugeteilten Privilegien erinnert. Es deutete auf die Loyalität des Klosters und die Unantastbarkeit seiner Chroniken hin. Und darin wurde um das so dringend benötigte Land gebeten.
    Bevor es abgesandt wurde, zeigte der etwas unschlüssige Abt es Stefan. Der las es, lächelte und sagte kein Wort dazu. Am Morgen des 22. März 1568 ereignete sich in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt in Moskau ein schrecklicher Zwischenfall. Der Metropolit Philipp wandte sich während der Eucharistiefeier plötzlich um und rügte in Anwesenheit einer großen Gemeinde von Bojaren und opritschniki den Zaren wegen des Mordes an Unschuldigen während der letzten Säuberungsaktion. »Es sind Märtyrer«, verkündete er.
    Die Bojaren erbebten angesichts solcher moralischer Unerschrockenheit.
    »Ihr werdet mich kennenlernen«, erwiderte der Zar. Kurz darauf nahm der Metropolit Zuflucht in ein Kloster. Ivan ließ Personen aus dem Umkreis des tapferen Kirchenmannes hinrichten.
    Zu allem Unglück erhielt einen Tag nach diesem Vorkommnis der Zar die Bitte um Land vom Kloster in Russka. Ivan antwortete umgehend, und zwar auf bedrohliche Weise. Weder Daniel noch der verstörte Abt wußten, was sie tun sollten.
    Als der Sankt-Georgs-Tag kam, waren Michail, seine Frau, sein Sohn Karp, die beiden Jüngeren und Mischa, der Bär, zur Abreise bereit. Das nötige Geld hielt der Bauer in der Hand. Im Gegensatz zu vielen anderen Bauern in der Gegend hatte er keine Schulden; die waren unauffällig im vergangenen Monat bezahlt worden. Er hatte ein gutes Pferd und außerdem Tagesgeld. Er war ein freier Mann und konnte gehen.
    Sein Plan war einfach. Sie würden über Land, durch die Wälder, nach Murom gehen. Dort würden sie wahrscheinlich bis zum Frühjahr bleiben und dann ein Boot die Oka hinauf nach Niznij Novgorod nehmen; weiter könnten sie per Schiff nach Osten zur mächtigen Wolga gelangen, in die neuen Länder, wo die Siedler frei lebten. Doch obwohl alles gepackt war, blieb die Familie. Eine Woche lang saßen sie in ihrem Häuschen und warteten. Jeden Tag gingen Michail oder Karp nach Russka hinein, und sie kamen jedesmal niedergeschlagen zurück. Auch an diesem Tag.
    »Nun?« fragte der Vater, Karp schüttelte den Kopf. »Nichts. Keine Spur. Verfluchte Schwindler!« schrie er.
    »Vielleicht morgen«, bemerkte die Mutter, aber es klang nicht überzeugt.
    Michail wußte, daß man ihn betrogen hatte. Die Kündigungsgesetze auf Boris' Besitz waren klar. Der Bauer mußte schuldenfrei sein und die übliche Frist um den SanktGeorgs-Tag einhalten, außerdem seine Austrittsgebühren entrichten. Es gab allerdings noch einen Haken: Der Herr oder sein Verwalter mußten persönlich die Kündigung und die entsprechende Summe in Empfang nehmen.
    Einige Tage vor dem festgesetzten Datum waren Boris und seine Frau plötzlich nach Moskau gereist. Michail war einmal nach Russka gegangen, um den Verwalter aufzusuchen. Er war blaß vor Schreck zurückgekehrt: Auch der alte Mann war mit seiner Frau auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Sie hatten das Städtchen nie vorher verlassen. Auch in den folgenden Tagen ließen sie sich nicht blicken.
    »Denkt bloß nicht, sie hätten die Gegend verlassen!« sagte Karp wütend. »Dieser Verwalter versteckt sich irgendwo in der Nähe, und wenn wir weggehen, ohne zu bezahlen, taucht er plötzlich mit ein paar Männern auf. Ich wette, wir werden jeden Moment beobachtet.«
    Damit hatte Karp recht. Allerdings konnten sie nicht wissen, daß der Mönch Daniel,

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