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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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abzutrennen.
    Daran mag etwas Wahres gewesen sein. Bis heute sind die Umstände nicht geklärt. Diese einst unabhängigen Zentren nahe den baltischen Häfen sahen sicher die Möglichkeit, der steigenden Besteuerung und der Tyrannei seitens des Moskauer Reiches zu entkommen, indem sie sich dem neu gebildeten Staatenbund von Polen und Litauen anschlossen. Ende 1569 machte Ivan der Schreckliche, begleitet von einem großen Verband der opritschniki, sich in aller Heimlichkeit nach Novgorod auf. Selbst der Kommandeur der Vorhut kannte das Ziel nicht. Ivan legte größten Wert darauf, daß die Städte ahnungslos blieben.
    Im Januar wurde Novgorod von seinem Schicksal ereilt. Wie viele Menschen durch Folter, Verbrennung und Hinrichtung umkamen, steht nicht fest, doch sicher geht die Zahl in die Tausende. Novgorod wurde bis auf die Grundmauern zerstört und hat sich nie wieder erholt. Nachdem die meisten der hochstehenden Bürger bereits auf der Straße umgebracht worden waren, ließ Ivan vierzig Personen in Pskov hinrichten und einige Priester an Pfählen verbrennen. Dann kehrte er nach Alexandrovskaja Sloboda zurück. In Russka brachte Elena einen Sohn zur Welt. Da Boris noch nicht von der Strafexpedition nach Novgorod zurückgekehrt war, mußten sie und Stefan, der Priester, den Namen auswählen. Das Kind wurde auf den Namen Fedor getauft. Der Priester sandte Boris einen Brief.
    Der Mönch Daniel war noch immer mit der Erwerbung von Gütern für das Kloster beschäftigt; und im April 1570 kam ihm eine Erleuchtung. Es ging um die Ochsenhaut, die der Zar geschickt hatte. Die Idee war so schlau und kühn zugleich, daß sie noch heute als »Daniels List« und als das Sprichwort »Das geht auf keine Kuhhaut« bekannt ist.
    1571
    Der Schnee auf dem Marktplatz in Russka war längst festgestampft. Die wenigen Verkaufsstände wurde soeben geschlossen. Der kurze Tag neigte sich dem Ende zu.
    Boris blickte finster drein, als er Michail und seine Familie neben dem verglühenden Feuer mitten auf dem Platz stehen sah. Michail starrte Boris ohne Hoffnung an.
    Es war noch eine Woche bis zur Fastenzeit. Doch eigentlich war die ganze Zeit Fastenzeit – es hatte zum drittenmal hintereinander eine Mißernte gegeben. An diesem Morgen hatte Boris gesehen, daß eine Familie gemahlene Birkenrinde aß.
    Das Kloster half nach Kräften, aber auch seine Vorräte schmolzen. In den nördlichen Regionen hatte es eine Seuche gegeben. Zwei Familien waren aus Sumpfloch weggezogen; in anderen Orten waren es mehr gewesen.
    Wohin mochten sie ziehen? Wahrscheinlich nach Osten, in die neuen Länder an der Wolga. Doch wie viele von ihnen würden in dem harten, eisigen Winter ans Ziel gelangen? Michail und seine verfluchte Familie! Boris ahnte, wie sehr sie ihn hassen mochten. Seit Karps Flucht mit dem Pferd war es mit der Familie immerzu bergab gegangen. Sie hatten ein neues Pferd gekauft, und sie kamen auch irgendwie durch die zweite schlechte Ernte, aber sie mußten dafür ihre versteckten Geldreserven angreifen. Von Loskauf war keine Rede mehr.
    Da sprach der Bauer seinen Herrn an. »Gib eine Kopeke, Boris Davidov! Wenigstens für den Bären.«
    Boris hörte die Bitterkeit aus den Worten. Laß meine Kinder verhungern, aber hab Mitleid mit dem Tier – so hieß das. »Verdammter Bär!« sagte Boris und ging weiter.
    Der Bär war so abgemagert wie die Menschen. Erbärmlich stand er da in seinen Ketten. Warum, in aller Welt, töteten sie ihn nicht? Boris war gerade von dem hohen grauen Wachturm über dem Tor heruntergekommen, den er in letzter Zeit täglich bestiegen hatte. Von dort oben sah er aus dem Ostfenster über die weite Ebene und hing seinen Gedanken nach. Es schien, als wäre Russka von der winterlichen Dunkelheit verschluckt worden. Alles war grau. In der Ferne lag das große Feld bei Sumpfloch wie ein riesiges Grab. Boris dachte über seine eigene Familie nach, vor allem über das Kind Fedor. War er wirklich sein Sohn? Seit langem zerbrach er sich den Kopf darüber. Möglich war es durchaus. Vielleicht hatte Elena an jenem Nachmittag empfangen, als er sie geschlagen und danach vergewaltigt hatte. Aber vielleicht war auch der Priester kurz davor oder danach mit ihr zusammengewesen.
    Darum kreisten seine Gedanken wieder und wieder. Von der Geburt des Kindes hatte er nicht durch seine Frau, sondern durch den Priester erfahren. Stefan hatte wohl auch den Namen des Kindes bestimmt. Es war überdies der Name von Elenas Bruder, den er gehaßt hatte. Bei

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