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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Michails Vetter, hinter alldem steckte. Denn nach der alarmierenden Antwort des Zaren stand es für Daniel fest, daß das Kloster, und er insbesondere, Freunde allerorten brauchten. Die erste Wahl fiel natürlicherweise auf Boris, einen Gefolgsmann des Zaren. Der listige Mönch hatte bald herausgefunden, daß Michail seine Schulden heimlich abbezahlte. Eines Morgens hatte er Boris persönlich aufgesucht und ihn darauf hingewiesen, daß einer seiner besten Bauern plante wegzugehen. Er hatte ihm auch gesagt, wie er das verhindern könne. Boris war entsprechend dankbar.
    So ging der Sankt-Georgs-Tag vorbei, auch der nächste und der folgende. Am Morgen des siebten Tages stellte Michail mit Entsetzen fest, daß Karp und das Pferd verschwunden waren. Auf dem Tisch lag ein Häufchen Münzen.
    Drei Tage danach kam ein Mann aus einem nahegelegenen Dorf mit einer Nachricht: »Karp kam an einem Morgen durch unser Dorf geritten. Er sagte, er habe Geld für das Pferd dagelassen. Es tue ihm leid, daß es nicht mehr sei.«
    Michail nickte. »Sagte er, wohin er reiten würde?«
    »Ja. Aufs wilde Feld.«
    Das wilde Feld. Die offene Steppe. Das Land, wo in vergangenen Jahren junge aufsässige Burschen wie Karp sich jenen Banden, zur Hälfte Banditen, zur Hälfte Krieger, angeschlossen hatten, die sich Kosaken nannten.
    »Er sagte, ihr möchtet euch um den Bären kümmern«, sagte der Mann abschließend.
    Später an jenem Tag traf eine weitere entsetzliche Neuigkeit in Russka ein: Die Männer des Zaren hatten den Metropoliten verschleppt.
    Elena glaubte fest daran, daß ihr noch ein Sohn geschenkt werde, und Stefan ermutigte sie. Wenn sie auch nie ein Wort über Boris verloren hatte, der Priester konnte sich ihr Leben doch gut vorstellen. Je länger er sie kannte, desto mehr Mitleid hatte er mit ihr.
    »Wir werden von Gott nicht dafür belohnt, daß wir unser persönliches Glück suchen, sondern dafür, daß wir uns selbst verleugnen«, erklärte er ihr. »Wir müssen vergeben, wir müssen erdulden, und vor allem müssen wir glauben.«
    Elena glaubte. Sie glaubte schließlich auch daran, daß Gott ihr einen Sohn schenken und ihr Mann eines Tages einen anderen Weg einschlagen werde.
    Nachdem ihr Vater verschwunden war, hatte Elena eine Zeitlang gehofft, er sei noch am Leben, doch Boris, der die Untersuchungen leitete, erzählte ihr, daß er hingerichtet worden sei. Auf welch grausame Weise, sagte er nicht. Sie sah aber, daß er unter seinem Wissen litt.
    Das Frühjahr 1569 brachte kaltes Wetter und ließ erneut eine schlechte Ernte befürchten. Aus der baltischen Region kam die Nachricht, der Feind habe eine befestigte Stadt in seine Gewalt gebracht. Jedermann wirkte bedrückt.
    Anfang Juni hatte Daniel erneut eine Unterredung mit Boris. Daniel war beunruhigt. In Russka sah es nicht gut aus. Die Ereignisse der vergangenen Jahre, die steigenden Abgaben für den Krieg im Norden, das Auseinanderbrechen der opritschnina und die Beschlagnahme von Grund und Boden hatten der russischen Wirtschaft sehr geschadet. Dies bewirkte, zusammen mit der Mißernte, eine empfindliche Rezession. Die Staatseinnahmen gingen drastisch zurück. Etwas mußte geschehen.
    Da war noch die Geschichte mit dem Zaren im vergangenen Frühling. Die hatte Daniels Ansehen auch nicht gehoben. Ivan hatte der Bitte um Landvergabe weder entsprochen noch sie abgelehnt, sondern eine ebenso merkwürdige wie beschämende Antwort gesandt. Land so groß wie eine Ochsenhaut wolle er ihnen überlassen – nicht mehr und nicht weniger. Der junge Bote war ein Schwarzhemd. Offenbar den Anweisungen des Zaren folgend, warf er dem alten Abt die Tierhaut höhnisch vor die Füße und schrie: »Der Zar läßt dir bestellen: Lege diese Haut auf den Boden, und das Stück Land darunter wird er dir geben.«
    »Ist das alles?« fragte der erschrockene Abt. »Nein. Der Zar hat versprochen, dich aufzusuchen, dir das Land zu geben, das du ausgewählt hast, und auch sonst alles, was du verdienst.«
    »Du, Daniel, hast dies alles über uns gebracht«, sagte der Abt betrübt, nachdem der Bote gegangen war. »Und diese Haut«, seufzte er, »werden wir wohl behalten müssen.« Seitdem wurde sie im Zimmer des Abts aufbewahrt.
    Als erstes wollte Daniel nun Stefan in seine Schranken weisen. »Ich finde, du solltest wissen, daß der Priester mehr Zeit in deinem Haus verbringt, seit seine Frau tot ist«, erzählte er Boris und fügte hinzu: »Du hast mir einmal erzählt, daß er ein Häretiker sei. Ich habe

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