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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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du, Boris Davidov, der Zar wüßte nicht über seine Untertanen Bescheid? Ein paar dieser Männer sind wie Hunde.« Nun wandte Ivan sich um. »Und Hunde können einen Wolf jagen und töten. Es gibt viele Wölfe zum Töten.«
    Ivan schwieg, sein Blick ging wieder zur Ikone. Boris hatte das Gefühl, er sollte gehen, doch davor wollte er noch etwas fragen.
    »Darf ich hier bleiben bis zum nächsten Feldzug?« Das war sein sehnlichster Wunsch. Ivan blickte zu ihm zurück. »Nein«, antwortete er leise, »zur Zeit ist es hier ruhig, aber… das ist nicht der richtige Platz für dich.«
    Boris zog sich betrübt zurück, und am nächsten Vormittag reiste er ab.
    Auf dem Rückweg hob sich seine Stimmung auf wunderbare Weise, als habe sein ganzes Wesen und sein Einsatz in der Sache neuen Aufschwung genommen.
    An einem klaren Septembertag begegnete Boris in Moskau dem Engländer, und zwar an der Kremlmauer.
    Der Mann stand am Ufer der Neglinaja und blickte neugierig hinüber. Der Blickfang war für George Wilson der Palast, speziell konstruiert für die erhöhte Sicherheit des Zaren. Das Gebäude war ein furchteinflößendes Fort aus rotem Ziegel und anderem Stein, in Schußweite vom Kreml entfernt. Auf der zinnenbekrönten Brustwehr waren bewaffnete Wachen zu sehen. Boris blickte interessiert zu Wilson hinüber. Er hatte schon viel von diesen englischen Kaufleuten gehört, die sich nun in verschiedenen Städten des Nordens aufhielten. Es war ein lästiger Haufen, doch der Zar hielt sie offenbar für nützlich.
    Das Leben hatte es gut gemeint mit Wilson. Er heiratete das deutsche Mädchen. Ihr kräftiger junger Körper sagte ihm sehr zu. Sie hatten zwei Kinder, und er war zufrieden mit seinem Leben. Nach wie vor war er ein streitbarer Protestant. Immer trug er einige gedruckte Traktate bei sich, gleichsam zum Schutz gegen die übermächtige Gegenwart der orthodoxen Kirchenmänner mit ihrem Weihrauch und ihren Ikonen. Gelegentlich wurde er von einem dieser Schwarzhemden aufgehalten, die wissen wollten, was es mit diesen Papieren auf sich habe. Dann erklärte er feierlich, das seien Gebete, Buße für seinen schlechten Lebenswandel, und damit gaben sie sich gewöhnlich zufrieden.
    Er hatte einige gewinnbringende Transaktionen abgewickelt, doch keine war so lohnend wie jene, die er gerade plante. Leider war sie, genaugenommen, illegal, und zwar nicht von russischer, sondern von englischer Seite her.
    Seit Chancellors Rückkehr nach Rußland war der englische Handel als Monopol mit dem Freibrief der Moskauer Kompanie organisiert, und es war eine blühende Angelegenheit. Wilson war in den Handelsniederlassungen zwischen Moskau und den fernen Nordmeeren beschäftigt und hatte im Grunde über nichts zu klagen außer über zwei Dinge: Ivan hatte tatsächlich seine Hand auf einen Teil der baltischen Küste gelegt, insbesondere auf Narva. Außerdem hatte ein listiger Italiener einige Jahre zuvor zugunsten einer Gruppe Antwerpener Kaufleute häßliche Gerüchte über die englischen Kaufleute in Moskau in Umlauf gebracht. Folglich war der englische Handel über das ferne Nordmeer nicht mehr ganz so einfach wie ehemals.
    »Wenn ich die Gesetze der Kompanie umgehe und Waren auf eigene Rechnung über Narva schicke, könnte ich hohe Gewinne machen«, sagte Wilson zu seinem Schwiegervater. Er war nicht der einzige Engländer, der seine Geschäfte auf diese Weise abwickelte. Wilson blickte unruhig in die Zukunft. Der Krieg im Norden würde sicher noch andauern. Die letzte Reise des ersten Bevollmächtigten der Moskauer Kompanie fand aufgrund der dringenden Bitte des Zaren statt, ausgebildete Leute und Vorräte für den Krieg im Norden gegen Polen herbeizuschaffen. Sie waren gerade eingetroffen.
    Doch es gab noch eine weitere Neuigkeit, die wie ein Lauffeuer durch die englische Gemeinde ging: Den reisenden Abgesandten der Kompanie hatte der Zar eine geheime Nachricht mitgegeben, die unverzüglich die Runde in der verschworenen englischen Gemeinde machte: Der Zar hatte bei Königin Elisabeth von England um Asyl nachgesucht, für den Fall, daß er aus Rußland fliehen mußte. Wilson überlegte, was zu tun sei.
    Und da stand nun einer der Schwarzhemden unmittelbar neben ihm. Wilson hatte inzwischen ganz gut Russisch gelernt, was notwendig war in einem Land, in dem niemand eine Fremdsprache beherrschte. Er entschloß sich, die furchteinflößende schwarze Gestalt anzusprechen in der Hoffnung, etwas herauszufinden.
    Boris war überrascht von der

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