Russka
sorgfältig verschlüsselt, den fehlgeschlagenen Bauernaufstand mitteilte. Überall hatten die Dorfbewohner so reagiert wie in Bobrovo. In mehreren kleinen Ortschaften wurde die Polizei gerufen, und die Nachricht von der Bewegung drang zu den Provinzbehörden vor. Einige junge Idealisten befanden sich bereits in Gewahrsam. Allgemein wurde ein strenges Durchgreifen erwartet.
Der Brief hatte Popov beunruhigt, doch er war es gewohnt, seine Gedanken zu verbergen, und so lächelte er den drei Männern zu. Voller Abscheu fuhr Mischa Bobrov den jungen Mann an: »Ihr Spiel ist aus. Suvorin hat Ihre Flugblätter entdeckt.« In kurzen Worten schilderte er die Sachlage. »Ihren Kommentar dazu will ich gar nicht hören, denn ich weiß, daß Sie lügen«, schloß Mischa verächtlich. »Aber Sie müssen hier bei Morgendämmerung verschwinden, also rate ich Ihnen, Ihre Reise vorzubereiten.«
»Keineswegs. Ich sagte Ihnen bereits, daß ich gehe, wenn ich es für richtig halte«, erklärte Popov.
Wie kaltblütig dieses Scheusal ist, durchzuckte es Bobrov. »Sie werden morgen abreisen. Es bleibt Ihnen keine Wahl. Suvorin läßt Sie sonst verhaften.«
»Vielleicht.« Popov zuckte die Achseln. »Machen Sie sich keine Gedanken. Es wird nichts geschehen.« Er gähnte. »Und entschuldigen Sie mich beim Abendessen – ich bin zu müde. Außerdem habe ich noch Post zu erledigen.«
Einen Moment waren die drei Männer sprachlos. Dann fragte Timofej Romanov hilflos: »Was machen wir nun?« Jevgenij Popov saß in seinem Zimmer und überlegte. Seine strikte Weigerung abzureisen war zum Teil Großtuerei gewesen. Auf jeden Fall war es nach dem beunruhigenden Brief am Morgen und Suvorins Drohung an der Zeit, weiterzuziehen. Aber er würde nicht zulassen, daß dieser dumme Landbesitzer, diese verdammten Bauern und auch Sawa Suvorin meinten, sie könnten so mit ihm umspringen.
Was diese Leute auch planen mochten – Popov war überzeugt, er könnte sie überlisten. Er überlegte eine Zeitlang, dann lächelte er vor sich hin. Aus dem verschlossenen Kasten am Fußende des Bettes nahm er ein handschriftliches Dokument. Er setzte sich an ein Tischchen am Fenster, und während er das Dokument immer wieder zu Hilfe nahm, kopierte er auf einem leeren Blatt Papier Buchstaben und Wörter, bis er schließlich zufrieden war. Dann nahm er ein neues Blatt zur Hand und begann sehr sorgfältig zu schreiben.
Währenddessen hörte er jemand den Gang entlangschleichen und vor seiner Tür haltmachen. Ein Schlüssel wurde ins Schloß gesteckt und leise herumgedreht. Er zuckte nur die Achseln. Sie glaubten also, sie könnten ihn zum Gefangenen machen. Er fuhr fort zu schreiben; zwei Briefe, eine kurze Notiz. Als er alles sorgfältig durchgelesen hatte, stand er auf. Er nahm die Arbeitskleidung aus dem Schrank, die er auf den Feldern getragen hatte, dazu einen Hut, der sein rotes Haar bedeckte. Als er sich umgezogen hatte, versuchte er die Tür zu öffnen, was ihm, wie erwartet, nicht gelang. Das Fenster ließ sich nur so weit öffnen, daß er seinen Kopf und einen Arm durchstecken konnte. Während er hinaussah, stellte er fest, daß das Fenster von Nikolajs Zimmer nicht weit entfernt war. Er nahm eine Münze aus der Tasche und warf sie hinüber, dann noch eine. Nachdem er vier Münzen gegen die Scheiben geworfen hatte, tauchte der wirre Haarschopf seines Freundes auf. »Hallo, Nikolaj«, rief Popov. »Man hat mich eingeschlossen. Laß mich hinaus!«
Zuerst dachte Mischa, es sei klar, was sie zu tun hätten. Doch Boris war für eine andere Lösung. Nach einigen geflüsterten Worten seines Sohnes begriff der verwirrte Timofej endlich, in welcher Gefahr Natalia sich wegen der Flugblätter befand. Es war natürlich in ihrem eigenen Interesse, die Angelegenheit persönlich zu erledigen. Man war deshalb übereingekommen, daß die Romanovs noch vor der Morgendämmerung in ihrem Wagen vorfuhren, den rothaarigen Studenten abholten und nach Vladimir brachten. »Ich habe einen schweren Knüppel«, erklärte Timofej, »und wir binden ihn am Karren fest, wenn nötig.«
»Wenn ihr nach Vladimir kommt, setzt ihr ihn in den Zug nach Moskau und bleibt stehen, bis der Zug abgefahren und nicht mehr in Sicht ist.« Mischa hoffte inständig, daß er diesem abscheulichen jungen Mann nie mehr begegnen würde. In diesem Augenblick kam ihm die Idee, Popov in seinem Zimmer einzuschließen. Dazu brauchte er einige Minuten. Als er wieder herunterkam, hatte er den Eindruck, die beiden
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