Russka
übte sich nahe den alten Quellen in Geduld. Er wollte nicht bei Tageslicht nach Russka gehen, aber glücklicherweise hatte er am Kloster einen Jungen getroffen, dem er ein paar Kopeken in die Hand drückte, damit er die Mitteilung überbringe. Popov brauchte nur eine Stunde zu warten, da kam der junge Mann, den er herbestellt hatte, in Sicht. Peter Suvorin war aufgeregt. Was konnte diese dringende Aufforderung bedeuten? Als Popov es ihm in ernstem Ton mitteilte, zitterte er heftig.
»Die Nachricht vom Zentralkomitee war unmißverständlich«, erklärte Popov. »Es bleiben uns nur noch Stunden. Bist du bereit, für die Sache zu leiden?«
»Aber natürlich!«
»Sehr gut.«
Die beiden besprachen die Einzelheiten. Der junge Suvorin hatte Geld. Rasch entwickelte er einen Plan.
Popov stellte mit Genugtuung fest, daß der junge Idealist angesichts der Krise überraschend ruhig und umsichtig blieb. »Wie kommst du von hier fort?« fragte er.
Peter überlegte. »Mein Großvater hat ein Fischerboot. Das nehme ich.«
»Großartig. Fahre in der Dämmerung ab.« Er umarmte Peter. »Wir treffen uns wieder«, versprach er.
Es dämmerte bereits, als Jevgenij zurück nach Russka ging. Als er einen guten Beobachtungsposten entdeckt hatte, ließ er sich nieder und behielt den Fluß im Auge. Währenddessen färbte der türkisfarbene Himmel sich indigoblau. Es war kein Mensch zu sehen. Da kam das kleine Boot in Sicht; es hielt sich, rasch dahintreibend, dicht am Ufer. Popov beobachtete, wie es sich nach Süden entfernte. Am nächsten Morgen würde es die Oka erreichen. Er lächelte. Peter Suvorin war tatsächlich auf die Geschichte hereingefallen, die Polizei werde sie alle am folgenden Tag verhaften. Er war auch überzeugt, das erfundene Zentralkomitee wolle ihn, Peter, unter allen Umständen retten. Und er hatte ohne Zögern zugestimmt, für einige Monate zu verschwinden. Und nun, da Peter weg war, war es Zeit zu handeln.
Popov zog den Hut tief ins Gesicht, machte einen Bogen um die Stadt und erreichte die Gasse an der dem Fluß zugewandten Seite. Er begegnete ein paar Leuten, doch niemand beachtete ihn auf seinem Weg durch die Dunkelheit.
Wie erwartet lag die schmale Straße einsam da. Zuerst schloß Popov den Vorratsraum auf, wo er die Druckerpresse versteckt hatte. Dann betrat er das Lagerhaus. Nachdem er eine Weile darin herumgelaufen war, wobei er hier und da ein Streichholz anzündete, fand er das, wonach er suchte: An einer Wand lagen Strohballen hoch aufgeschichtet; in einer Ecke lagen ein paar leere Säcke, auf dem einem Regal stand ein Dutzend Lampen, in denen sich noch Öl befand. Ohne Eile nahm Popov Strohballen und schichtete sie an den Wänden auf. Dann drehte er aus den Säcken große Fackeln und füllte das Öl in Behälter. Schließlich verteilte er noch ein paar Strohballen im Vorratsraum. Das alles war in einer halben Stunde erledigt.
Nun holte er die Teile der Druckerpresse und die Flugblätter aus ihrem Versteck. Als er sich vergewissert hatte, daß die Straße leer war, ging er hinaus.
Alles war still. Popov ging an der Kirche am Marktplatz vorüber und auf die breite Straße, die zum kleinen Park und zur Esplanade führte. Von den drei Häusern, die zur Rechten hinter Zäunen lagen, gehörte das erste Sawa Suvorin. Die Fenster waren dunkel. Popov öffnete das Tor und ging in den Hof. Das Haus bestand aus Mauerwerk, doch den Eingang bildete eine solide Holztreppe, die etwa zwei Meter hoch ins Stockwerk mit den Wohnräumen führte. In dem Hohlraum unter dieser Treppe wollte Popov seine Sachen deponieren.
Er mußte den Weg zweimal gehen. Das zweitemal brachte er aus dem Vorratsraum einen kleinen Spaten mit. Nun machte er sich ans Werk.
Bisher war alles nach Plan verlaufen. Er hatte tatsächlich nur einen Fehler gemacht, der ihm aber nicht bewußt war. Als er nämlich den Vorratsraum zuletzt verlassen hatte, hatte er vergessen, die Tür abzuschließen. Er blickte nicht zurück und konnte deshalb nicht sehen, daß die Tür wieder aufschwang. Der Boden unter Suvorins Treppe war ziemlich weich, und so hatte Popov in kurzer Zeit ein Loch von etwa dreißig Zentimetern Tiefe gegraben. Er lächelte. Bald hätten Sawa Suvorin und Mischa Bobrov einander den Wind aus den Segeln genommen. Er, Popov, wäre fein heraus. Der junge Peter Suvorin wäre ein Verbrecher, denn die Druckerpresse und die revolutionären Flugblätter waren offensichtlich vor Suvorins Haus vergraben worden.
Nun ja, da gab es noch ein paar
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