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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Kleinigkeiten. Grigorij und Natalia zum Beispiel. Mit ihnen hatte Popov nichts Spezielles vor, aber sie waren ja auch harmlos.
    Als das Loch gut einen halben Meter tief war, stieß der Spaten gegen etwas Hartes, und als Popov nach unten faßte, fühlte er eine weiche, abgerundete Fläche. Neugierig kratzte er die Erde weg und fand wenig später einen Schädel. Gott weiß, was der da zu suchen hatte. Popov besaß genügend medizinische Kenntnisse, um zu bemerken, daß die Form eher auf einen Mongolen als auf einen Slawen hindeutete. Ein Tatar vielleicht? Popov zuckte die Achseln. Er konnte sich nicht vorstellen, wieso der Schädel vor Suvorins Haus vergraben war.
    Bald darauf waren Druckerpresse und Flugblätter verstaut, Erde daraufgehäuft und festgeklopft. Popov nahm den Schädel mit, schlich sich hinaus und ging zurück zum Lagerhaus. Kurz davor kam er an einem Brunnen vorüber. Er blieb stehen und warf den Schädel hinein. So fand der Schädel von Peter dem Tataren, dem unbekannten Gründer des Klosters, eine neue Ruhestätte in den Gewässern unter der Stadt.
    Natalia und Grigorij hatten sich bei der Wohnbaracke bis in die Dunkelheit unterhalten. Natalia hatte Grigorij vor der Einstellung ihres Vaters gewarnt, aber sie meinte, er komme bald darüber weg. Außerdem merkte sie, daß Grigorij sich aus der Meinung ihres Vaters nichts machte. Sie hatten den jungen Mann so für sich gewonnen, daß er tatsächlich nur noch eines im Kopf hatte – wie er ihren Körper genießen könne. Als er deshalb nach der Abenddämmerung den Vorschlag machte, an einen ungestörten Ort zu gehen, hatte sie keine Einwände.
    Sie waren eben unterwegs zu der Straße, die aus Russka führte, als sie bemerkten, daß die Tür des Vorratsraumes offenstand. Innen sahen sie zu ihrer Überraschung die Strohballen liegen; Natalia fand, daß dies ein geeigneter Platz sei. In kürzester Zeit hatte sie in einer Ecke ein Strohlager vorbereitet. Dann winkte sie ihrem Freund zu und schloß die Tür. Bald, das gelobte sie sich, würde sie schwanger und verheiratet sein.
    Im Lagerhaus goß Popov das Öl über die Fackeln aus Sackleinwand. Er entzündete eine von ihnen und hielt sie an den größten Strohhaufen. So verfuhr er auch mit den übrigen Haufen. Als er nur noch zwei Fackeln übrig hatte, lief er zum Vorratsraum. Das Feuer breitete sich rasch aus. Inzwischen leckten die Flammen bereits an den Dachsparren des Lagerhauses. Er mußte sich beeilen. Rasch öffnete er die Tür, entzündete zwei Fackeln und warf sie in die am nächsten liegenden Strohballen. Die beiden jungen Leute in der Ecke, die ein paar Minuten vorher eingeschlafen waren, sah er nicht.
    Eilig lief Popov durch die Dunkelheit hinaus aus der Stadt. Es war Zeit, nach Bobrovo zurückzukehren.
    Mischa Bobrov saß allein im Wohnzimmer. Oben lag Nikolaj in tiefem Schlaf. Der Landbesitzer hatte ein paar furchtbare Stunden hinter sich. Er hatte den Rat des jungen Boris befolgt und Popovs Sachen eingepackt. Dann hatte er sie im Hof abgestellt. Nun wartete er.
    Was hatte er nur getan? Nichts, redete er sich ein. Die Romanovs wollten Popov nur fassen und nach Vladimir bringen. Das hatten sie jedenfalls gesagt. Eine halbe Stunde lang hatte er sich an diese absurde Version geklammert, dann hatte er sich die Wahrheit eingestanden. Er hatte sie bezahlt, damit sie den jungen Mann umbrächten. Mord. Mischa dachte an Sevastopol. Fast zwanzig Jahre war es her, als er in Versuchung war, Pinegin umzubringen. Damals war er ein Mörder im Herzen; aber er hatte es nicht getan. War er heute ein weniger moralischer Mann? Was bedeutete es, daß er andere die Tat für sich begehen ließ? Voller Furcht murmelte er: »Herr, mein Gott, was habe ich getan?«
    Als er nach Mitternacht einen Laut hörte, hochblickte und Popov vor sich stehen sah, spürte er eine Mischung aus Erstaunen, Erleichterung und Schrecken.
    Popov war ungehindert aus Russka entkommen. Als er den Fluß erreichte, sah er einen roten Schein über den Dächern und hörte Rufe in der Stadt. Deshalb beschloß er, den Pfad an den Quellen vorbei zu nehmen und schließlich den Steg in Bobrovo zu überqueren.
    Als er sich dem Herrenhaus näherte, war er voller Befriedigung, ja Schadenfreude. Alles war geregelt! In der Tasche hatte er die beiden Briefe.
    Es war nicht schwierig gewesen, Peter Suvorins Schrift nachzuahmen. Dafür hatte Popov eine Begabung. Stolz jedoch war er auf den Stil der beiden kleinen Schriften. Peters langem revolutionären Essay

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