Russka
Begegnung mit dem neuen tatarischen Beamten festzustellen, daß der baskak ebenfalls zum orthodoxen Glauben übergetreten war. Der Bojar hatte schon früher geschäftlich mit dem Beamten zu tun gehabt und hielt ihn für einen schlauen, schweigsamen Mann. »Es wäre zu überlegen, wie wir uns diesen christlichen Tataren gewogen machen können«, hatte er zu seinen Söhnen gesagt. Als er erfuhr, daß der Tatar eine unverheiratete Tochter hatte, kam ihm eine Idee. Milejs ältester Sohn war verheiratet und hatte zwei Töchter. Doch der jüngere, David, ein hübscher Neunzehnjähriger, war noch ledig.
»Ich habe das Mädchen gesehen. Sie sieht nicht schlecht aus, und dieser Tatar scheint ziemlich wohlhabend zu sein. Es heißt, er habe auch gute Verbindungen«, erzählte er seinem Sohn. »Was denkst du – willst du das Mädchen heiraten?«
Es hatte bis dahin schon verschiedentlich Ehen zwischen russischen Fürsten und adligen Tatarinnen gegeben. So hatte die Hochzeit stattgefunden.
Heute nun traf Milej den Tataren aus einem anderen Grund. Zwei Monate zuvor, bei Sommeranfang, hatte Peter erklärt: »Ich habe die Absicht, ein kleines Ordenshaus für ein paar Mönche und eine Kirche zu stiften. Weißt du einen geeigneten Platz dafür?« Ein Kloster! Milej hatte weder geahnt, daß der Tatar so reich war, noch daß er die Religion so ernst nahm. »Gib mir zwei Wochen Zeit«, hatte er geantwortet, »wahrscheinlich habe ich die richtige Stelle für dich.«
Seitdem hatte er eifrig kalkuliert und fieberhaft gearbeitet. Genau das war es, was er für Russka brauchte.
All die Jahre hatte er sich bemüht, den Ort in Schuß zu bringen, aber es war schwer. Jetzt gab es dort eine einfache kleine Holzkirche, aber die Bevölkerung hatte sich verdoppelt. Und die Probleme mit den Tataren in den vergangenen zehn Jahren hatten es fast unmöglich gemacht, zuverlässige Siedler zu finden. Ein Kloster würde Leute und, früher oder später, Handel bringen. Milej hatte einen Großteil des Landes, auch ungenutzten Wald, in der Gegend gekauft. Sein erster Gedanke war gewesen, Peter davon etwas zu verkaufen.
»Aber das genügt ihm sicher nicht«, meinte er zu David. »Er sagte mir, er wolle gutes Land, und das einzige gute Land in Russka ist der tschernozem am Ostufer.«
Da kam dem Bojaren die rettende Idee. Er sandte eilig einen Boten zum Großfürsten Alexander Nevskij und ließ ihn, unter Hinweis auf erwiesene Dienste, bitten, er möge ihm gutes Land verkaufen. Die Bitte wurde erfüllt.
»Denk dir«, setzte Milej seinem Sohn auseinander, »er verkauft mir ein Stück seines tschernozem nördlich vom Sumpfloch zu einem sehr günstigen Preis, und das ist doppelt so groß wie unser Land in Russka.« Er rieb sich die Hände. »Wenn ich dem Tataren mein Land zu einem guten Preis für sein Kloster verkaufen kann, kann ich den Handel mit dem Großfürsten tätigen, ohne eigenes Geld auszugeben.«
Mit begreiflicher Freude begrüßte er nun den Tataren und führte ihn in sein Haus. »Ich zeige dir die Stelle morgen früh«, sagte er. »Ich glaube, du wirst zufrieden sein.«
Am nächsten Morgen inspizierten sie das Land. Milej zeigte Peter den reichen tschernozem am Ostufer voller Stolz. Der Tatar ging um das ganze Dorf herum und sah, daß Milej ihm tatsächlich sein bestes Land angeboten hatte. »Es ist ein guter Platz für ein Kloster«, stimmte er zu. »Ich stifte eine kleine Kirche und denke für den Anfang an etwa sechs Mönche. Es wird sich mit der Zeit vergrößern.«
Milej nickte lächelnd. »Heißt das, du willst kaufen?«
»Der Preis?«
Milej war klug genug, nicht geldgierig zu erscheinen, und nannte eine akzeptable Summe.
Peter willigte ein. Zu Milejs großer Freude zog er einen Beutel heraus und bezahlte auf der Stelle mit Goldmünzen. »Jetzt gehört das Land mir«, sagte der Tatar und stieg aufs Pferd. »Willst du nicht bleiben?«
Der Tatar schüttelte den Kopf. »Bei den Schwierigkeiten… Ich möchte morgen wieder in Murom sein.«
Milej nickte. »Jedenfalls stelle ich eine Besitzurkunde aus«, meinte er. Das war für ihn etwas Selbstverständliches. Doch Peter fragte verwundert: »Eine Urkunde? Was ist das?« Milej wollte zunächst etwas erwidern, doch dann schwieg er lieber. Konnte es sein, daß der Beamte nicht wußte, daß im Land der Rus jeder Landbesitz urkundlich verbrieft war?
Milej überlegte. Der Apparat des mongolischen Staates funktionierte vollkommen unabhängig vom russischen System. Die Tataren führten
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