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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Land, und bald ging es ihnen gut. Yanka hatte nicht zu klagen. Sie liebte ihn, und er machte sie sehr glücklich. Sie hatten drei Kinder. Wenigstens einmal im Jahr unterbreitete der Verwalter Milejs immer verlockendere Angebote, um Pächter nach Russka zu werben. Sie lehnten stets ab. »Wir sind Leute vom Schwarzen Land«, sagte Yanka einfach. »Hier sind wir unsere eigenen Herren.« Am Vorabend nun hatten die Männer des Dorfes erfahren, was die Tributeinnehmer in Russka erlebt hatten. Sie beschlossen, ihnen aufzulauern und sie hinterrücks zu töten. Purgas war auf ihrer Seite. Schon Tage zuvor waren Nachrichten von den Schwierigkeiten in den nördlichen Städten flußabwärts gedrungen. Die freien Bauern des Ortes waren höchst erregt. »Ihr seid verrückt«, sagte Yanka. »Russka hat nicht revoltiert.«
    »Aber nur, weil der Bojar mit den Tataren im Bunde ist«, meinte einer der Männer.
    »Sie werden kommen und uns alle umbringen«, drohte Yanka und blickte finster drein.
    »Wir fürchten uns nicht!« riefen die jungen Männer.
    »Sie werden uns alle vernichten«, erklärte sie. »Sie werden nie nachgeben.«
    »Du bist also jetzt auf der Seite des Bojaren«, sagte Purgas leise.
    Yanka wollte erst widersprechen, doch sie schwieg. Sie dachte an jenen Abend im Gasthaus: Wie hatten Milejs Worte sie entsetzt!
    Inzwischen war sie aber älter geworden und hatte erlebt, wie die Tataren auch den Norden nahmen. Milej hatte tatsächlich recht behalten.
    »Versteckt, soviel ihr könnt«, riet sie den Männern. »Bezahlt die Leute, aber tut so, als hätten sie euch ruiniert. Sonst sind wir erledigt.«
    Schließlich hatte sie sie überzeugt. Selbst Purgas versprach, nach ihrem Rat zu handeln.
    Es kam so, wie Yanka es vorausgesagt hatte. Die Tributeinnehmer waren in der Morgendämmerung gekommen in der Annahme, die Leute zu überrumpeln. Sie plünderten in aller Eile die Hälfte des Getreidevorrats und trieben fast das gesamte Vieh weg. Doch schon vor der Morgendämmerung hatten Purgas und die Männer die meiste Habe im Sumpfland versteckt, wohin die Beamten nicht vordringen konnten.
    Während sie das Getreide nahmen, ging Yanka spazieren. Ohne zu überlegen, ging sie so vor sich hin, in Richtung Russka. Sie gelangte auf eine schmale Waldlichtung mit einigen kleineren Erhebungen.
    Von hier aus hatte sie einen hübschen Blick auf Russka. Es war ganz still.
    Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Das mußte eine Vision sein!
    Peter, der Tatar, war zufrieden mit diesem Tag. Er hatte eine Stelle für das Kloster gefunden, wie er sie sich vorgestellt hatte. Es war Zeit, daß er seinen Frieden mit Gott machte. »Ein Mann ohne Religion findet keine Ruhe«, hatte der Beamte in Rostov ihn gedrängt. Und das stimmte.
    Das neue Oberhaupt, Kubla Khan, hatte die buddhistische Religion der Chinesen angenommen, über die er herrschte. Peter bestritt nicht, daß alle Menschen sich vor dem Großen Khan verneigen sollten; doch im Laufe der Jahre, verstärkt durch die schändlichen Intrigen um die höchsten Stellen innerhalb der Goldenen Horde, hatte Peters Begeisterung für menschliche Macht nachgelassen. Vielleicht wäre ich General geworden, wenn ich erfolgreicher gewesen und Batu Khan nicht gestorben wäre, dachte er; dann würde ich vielleicht noch nach irdischen Dingen streben. Doch wie die Dinge lagen, war seine Laufbahn abgeschlossen. Er würde seine Stellung halten, aber nicht mehr höher steigen. Er gab sich damit zufrieden. Mit Hilfe seiner Schwester hatte er zu Lebzeiten Batus und ihres Sohnes ein beträchtliches Vermögen angesammelt.
    Zwei Jahre zuvor war er über die Steppe nach Sarai gereist. Dort hatte er den herrlichen grauen Hengst mit der schwarzen Mähne und dem Streifen auf dem Rücken gekauft, den er jetzt ritt. »Es ist vielleicht das letztemal, daß ich Sarai sehe«, hatte er betrübt zu seiner Frau gesagt. Er ahnte, daß er in Rußland bleiben würde. Er hielt am Waldrand inne und warf einen letzten Blick auf seine neue Erwerbung. Er stieg ab und ging zu einer kleinen Anhöhe, um von dort aus einen besseren Blick zu haben. Seine Züge wurden weich, als er hinübersah. Träge scheuchte er eine Fliege weg, die sich auf der Stelle niedergelassen hatte, wo früher einmal sein Ohr gewesen war. Da bemerkte er, daß sein Pferd unruhig wurde. Hinterher hätte Yanka nicht erklären können, wie dieser Wahnsinn über sie gekommen war. Aber sie hatte sich immer geschworen, daß sie das einmal tun werde, und dieses

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