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Russka

Russka

Titel: Russka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wünschte, hieß es. Der Feuervogel bedeutete Wärme und Glück. Sicher würde der kleine Bär jetzt beim Feuervogel warten.
    Kiy ging weiter auf den Glanz zu. Der Vogel schien sich nicht zu bewegen, sandte aber immer noch seine Lichtstrahlen aus; er wartete wohl auf ihn. Mit einem Freudenschrei lief der Junge auf die Lichtung.
    Das Gesicht des Reiters, der unter seinem metallenen Helm auf den Jungen hinabsah, war ohne jede Bewegung. Die bunten Edelsteine, die den Rand des Helmes schmückten, funkelten in der Sonne. Der Mann hatte eine große Adlernase. Eine schwarze Haarmähne fiel ihm auf die Schultern. Seine dunklen, mandelförmigen Augen blickten kalt. Von seiner Schulter hing ein langer Bogen herab.
    Der kleine Junge stand wie gelähmt vor ihm. Die furchterregende Gestalt saß auf einem Rappen, der im Schatten der Bäume graste. Das Lederzaumzeug war reich verziert. Mit steinernem Gesicht packte der Reiter das Kind.
    Von einem hohen blauen Himmel brannte die Sonne an diesem stillen Mittag aufs Land herab. Ein heißer Windhauch streifte Lebed, als sie das goldene Gerstenfeld verließ und sich am Waldrand entlang auf den Weg machte. Vielleicht hatte ihr Sohn nur den Schatten der Bäume gesucht. Beim Gehen rief sie immer wieder zärtlich: »Kiy, mein Körnchen. Kleiner Kiy, mein Täubchen.« Doch Kiy antwortete nicht.
    Sie ging zu der Stelle, wo sie sonst Pilze sammelten. Wieder rief sie nach ihm: »Kleiner Kiy. Kiy, mein Entchen.« Aber auch hier war er nicht.
    Sie ging weiter zum Weiher. Hoffentlich war Kiy nicht hineingefallen! Doch dafür gab es kein Anzeichen. Laut schallte ihre Stimme durch den Wald. Auch auf der großen Lichtung fand sie ihn nicht. Er konnte doch nicht noch weiter gegangen sein! Sie setzte ihren Weg nach Osten fort. Sie konnte ja nicht ahnen, daß ihr Kind den Wolken nachgegangen war, die eine andere Richtung genommen hatten. Einmal sah sie zwei Wölfe, die wie blaßgraue Schatten an einem Baum standen und sie beobachteten. Einen Augenblick lang setzte ihr Herz aus. Was wäre, wenn Kiy ihnen begegnet wäre? Aber ihr fiel ein, daß Wölfe im Hochsommer selten Menschen angreifen.
    Lebed stellte sich ihr Leben ohne ihr Kind vor, die Stelle über dem Ofen, an ihrer Seite, leer. Wie sollte sie diese entsetzliche Leere je wieder füllen! Vielleicht noch ein Kind? Sie hatte die Ängste einer Mutter oft erlebt, doch niemals eine so tiefe Furcht. Sie spürte einen fast unerträglichen Schmerz.
    Auf ihrem weiteren Weg nach Osten überlegte sie zwei Dinge: Der Junge konnte nicht viel weiter gewandert sein, und wenn er noch am Leben war, mußte er sich irgendwo hier im Wald verirrt haben. Ein anderer Gedanke war schrecklicher: Sehr bald würde dieser Teil des Waldes enden und die Steppe beginnen. Und wenn der Junge zwischen den hohen Gräsern ging, würde die Sonne auf ihn herunterbrennen, und sie, die Mutter, könnte ihn nicht sehen. Und was war mit den Tieren? Eine Viper, wilde Hunde, ein Iltis könnten ihm draußen in der Steppe begegnen.
    Sie beschloß, weiter durch den Wald und dann am Steppenrand entlangzugehen. Wenig später lag die riesige Fläche vor ihr. Die Stille des sommerlichen Mittags schien weit über den Horizont hinauszureichen. Den Übergang zur Steppe bildeten auf etwa hundert Metern kurze Grasbüschel, zerzaustes, teilweise noch grünes Riedgras. Dahinter breitete sich hohes Federgras aus, und in noch größerer Entfernung sah die Ebene bräunlich aus. Von dem Jungen war weder etwas zu hören noch zu sehen. Nun ging Lebed nach Nordosten am Wald entlang. Rechts vor ihr, vielleicht zwei Meilen in die Steppe hinein, erhob sich ein kleiner, doch klar erkennbarer Erdwall: ein kurgan – ein Grab. Lebed ging einige Zeit, doch der kurgan blieb scheinbar gleich weit entfernt. Die Steppe spielt diesen Streich mit dem Licht oft, das wußte Lebed. Hin und wieder machte sie eine Runde durch den Wald auf der Suche nach dem Kleinen Kiy, bevor sie wieder in die gleißende Helligkeit der Steppe hinaustrat. Endlich schien der kurgan näher, und Lebed gelangte in ein lichtes Wäldchen, das sich in die Steppe vorschob. Sie durchquerte es. Das Lager der Reiter lag auf der anderen Seite des Wäldchens. Sie sah es, nicht einmal hundert Schritte entfernt. Und sie sah sofort, daß sie das Kind in ihrer Gewalt hatten. Die fünf Wagen hatten Verdecke aus Borke. Sie standen in einem Kreis. Einige Reiter lagen unter den Wagen. Außerhalb des Kreises saßen zwei Männer auf ihren Pferden, der eine hell-, der

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