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Ruth

Ruth

Titel: Ruth
Autoren: Frank G. Slaughter
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zufriedener
Miene. Die Moabiterin würde mit ihrem Leben dafür bezahlen, daß sie es gewagt
hatte, ihn zurückzuweisen.
    „Wird der Angeklagten nicht
gestattet, zu ihrer Verteidigung zu sprechen?“ fragte Boas. „Haben wir unter
dem Bann von Tobs Redekunst vergessen, daß unser Gott gesagt hat, daß der
Fremde unter uns einer der unsrigen sein soll?“
    „Die Frau soll gehört werden“,
sagte Natan, „wenn sie etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen hat.“
    Alle Augen richteten sich auf
Ruth, aber sie hob ihren Kopf nicht. Es war, als ob sie die Worte des alten
Mannes nicht gehört hätte.
    Boas’ Gesicht war eine Maske
des Schmerzes. Als er sprach, klang seine Stimme rauh vor Erregung. „Sprich,
Ruth!“ beschwor er sie. „Wenn du nicht willst, daß ich und dieser Rat glauben,
daß die Anschuldigungen wahr seien.“
    Ruth antwortete nicht sofort,
denn sie dachte darüber nach, was sie sagen sollte. Boas hatte sie angefleht.
Sie erkannte, es ging nicht nur um sie, sondern ebensosehr darum, die Qualen
seiner Seele zu beenden.
    „Ist hier einer, der mir
glauben würde?“ fragte sie mit klarer, fester Stimme.
    „Wenn das, was du sagst, deine
Unschuld beweist“, versicherte ihr Boas, „wird der Rat dir glauben, und du
wirst frei sein.“
    „Angenommen, nur du glaubst
ihr, Boas“, sagte Tob, „und wir nicht?“
    „Dann wird sie nicht sterben“,
erklärte Boas fest.
    „Du würdest von uns verlangen,
daß wir sie ohne Bestrafung freilassen, allein auf deine Worte hin?“
    „Wenn ich von ihrer Unschuld
überzeugt bin“, sagte Boas, „dann mußt du erst mich umbringen, bevor du sie töten
kannst.“
    „Du willst den Rat von Juda
verhöhnen?“ fauchte Tob wütend. Boas’ Gesicht wurde hart. „Du bist allzu eifrig
bemüht, diese Frau sterben zu sehen, Tob. Vielleicht wäre es einfacher, wenn
dies ein Streit zwischen uns bliebe und in der altehrwürdigen Weise beigelegt
würde, durch Schwerter oder Speere. Sei versichert, der Herr gibt demjenigen
den Sieg, der von uns beiden im Recht ist.“
    Tob wurde blaß. Das letzte, was
er wollte, war ein Kampf mit Boas.
    „Es ist die Sache des Rates, zu
entscheiden, was Recht und Unrecht ist, nicht die von Boas oder Tob“, sagte
Natan nachdrücklich. „Laßt die Moabiterin selbst zu ihrer Verteidigung
sprechen.“
    Ruth stand auf, das Haupt
erhoben. „Ich weiß, daß meine Art und meine Sitten euch fremd sind“, sagte sie.
„Aber meine Art war meinem hebräischen Mann nicht fremd, als er mich zu seiner
Frau machte. Auch seiner Liebe nicht, als er mich lehrte, Kamosch und Ischtar
zu verlassen, um dem einen wahren Gott zu dienen.
    Ich kam nach Israel, nicht um
euch auszuspionieren, wie ich beschuldigt werde, sondern weil mein Mann einer
von euch gewesen war und weil es für seine Mutter nicht länger sicher war, in
Moab zu bleiben. Als jedoch Noëmi und ich bei dem nächsten Verwandten meines
Mannes, Tob, Hilfe suchten, kam er in der Nacht an mein Bett und versuchte,
mich zu mißbrauchen.“
    Von verschiedenen Mitgliedern
des Rates hörte man ein erstauntes Gemurmel, denn ihre ruhigen, eindringlichen
Worte hatten überzeugend geklungen.
    „Das ist eine Lüge“, kreischte
Tob. „Sie hat versucht, mich für ihre eigenen Zwecke zu verführen. Ada ist
Zeugin. Laßt sie sprechen.“
    Natan wandte sich an die
Sklavin. „Du kannst aussagen, Ada“, sagte er. „Aber da du eine Sklavin bist,
kannst du nicht dazu gezwungen werden, zur Verteidigung deines Herrn zu
sprechen. So ist das Gesetz;“
    „Die Frau lügt“, sagte Ada.
„Sie lockte meinen Herrn in ihr Zimmer, indem sie ihren Körper zur Schau
stellte.“
    „Wenn Ruth die Absicht gehabt
hätte, Tob zu verführen, wie du behauptest, Ada“, sagte Boas, „warum hat sie
ihn dann mit einem Dolch am Handgelenk verwundet und ihm das Gesicht
zerkratzt?“
    Ada lächelte beinahe mitleidig.
„Auch der edle Boas ist von den Schlichen der Moabiterin genarrt worden. Ich
sah, wie mein Herr sich die Wunden und Kratzer durch Dornen im Garten zuzog.“
    Tob hatte Adas Zeugenaussage
besorgt gelauscht. Jetzt lehnte er sich zurück, und ein zufriedenes Lächeln
breitete sich über seinem Gesicht aus.
    „Was hast du dazu zu sagen,
Frau von Moab?“ fragte Natan nicht unfreundlich.
    „Sie lügen beide“, sagte Ruth
offen.
    „Warum?“ schrie Tob. „Warum
sollten wir in dieser Sache lügen?“
    Natan gebot mit erhobener Hand
Ruhe und nickte dann Ruth zu, fortzufahren.
    „Tob haßt mich, weil ich mich
nicht zu ihm legen
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