Ruth
wollte“, erklärte sie. „Ada wünscht mich aus dem Wege, weil
sie Tobs Konkubine ist und er mich einmal zur Frau begehrte.“
Tob war weiß vor Wut und
Furcht. Er hatte gehofft, der Rat würde Ruth gar nicht erst anhören. Nun aber
bestand die Gefahr, daß ihre ruhige Verteidigung die Ratsmitglieder
beeinflußte, von denen die meisten wie Natan gute und gerechte Männer waren.
„Wollt ihr auf die
Verleumdungen einer Dirne hören?“ rief er. „Sie hat die vergangene Nacht unter
Boas’ Mantel verbracht. Laßt sie dies ableugnen, wenn sie es kann. Ich habe den
Beweis.“
„Ich ging zu Boas in der Hoffnung,
daß er das Recht des nächsten Verwandten von Tob abkaufen und mich zu seiner
Frau machen würde“, sagte Ruth.
„Und ich ging an diesem Morgen
zu Tobs Haus, um ihm notfalls mein ganzes Vermögen anzubieten, damit ich die
Frau, die ich liebe, heiraten kann“, bestätigte Boas.
„Die Moabiterin ist schuldig!“
protestierte Tob. „Warum hören wir ihren Lügen und Verleumdungen zu? Laßt uns
unsere Stimmen abgeben.“
Boas erhob sich und sprach zum
Rat. „Ich werde meine Stimme nicht abgeben, bis ich mehr darüber weiß, weshalb
Tob ohne gerechte Verhandlung vor dem Rat auf den Tod dieser Frau dringt.“ Er
wandte sich um zu seinem Verwandten, der vor dem Zorn und der Empörung in Boas’
Blick zurückwich. „Zweifellos hast du einen Grund für deine Handlungen, Tob“,
fuhr er fort. „Und ich sehe langsam, was dieser Grund sein könnte. Tob handelt
über Cheb viel mit Moab“, sagte Boas zum Rat. „Ich habe mich schon lange
gefragt, warum die Nachrichten über das, was in Juda und Israel geschieht,
Hedak beinahe so schnell erreichen wie mich.“
Tob wurde weiß und zitterte vor
Wut und selbstgerechter Empörung. „Beschuldigst du mich des Verrats, Boas?“
zischte er.
„Noch nicht“, sagte Boas
langsam. „Aber wenn ich Verrat entdecke, Tob, braucht das Volk dich nicht mehr
zu steinigen.“ Er erhob seine Fäuste. „Diese beiden Hände an deinem Hals werden
dich vorher richten.“
Natan, der den Rat leitete,
unterbrach die beiden wütenden Männer. „Dies ist kein Ort, um einen
persönlichen Streit auszutragen, Boas“, sagte er scharf. „Oder ein angesehenes
Ratsmitglied ohne Begründung des Verrats zu beschuldigen. Nimm deinen Platz
ein, während wir der Verteidigung der Moabiterin zuhören.“ Boas sank zurück auf
seinen Stuhl, sein Gesicht war finsterer denn je.
„Tob hat dich beschuldigt, für
den Tod deines Mannes Machlon, der ein Israelit war, verantwortlich zu sein.“
Natan sprach direkt zu Ruth. „Was hast du dazu zu sagen?“
„Mein Mann starb, weil er
Israel liebte und versuchte, zwischen diesem Land und Moab Frieden zu stiften.
Ich trage keine Schuld an seinem Tod.“
„Willst du damit sagen, daß
Cheb lügt?“
„Ja“, erwiderte Ruth mit fester
Stimme.
„Warum sollte er uns belügen?“
fragte Tob sarkastisch. „Er ist kein Moabiter.“
„Er steht im Sold Moabs“, sagte
Ruth.
Tob schnaubte wütend und
verächtlich. Und einige der Ratsmitglieder lächelten ungläubig.
„Laßt sie zu Ende reden“, warf
Boas ein.
„Sie kann uns alle Moabiter
nennen“, sagte Tob mit einem Achselzucken, „es wäre keine größere Lüge als der
Rest ihrer Aussage.“ Einige der alten Männer, die um den Tisch saßen, nickten
zustimmend.
Natan wandte sich an Cheb.
„Hast du vor dem heutigen Morgen, als du ihr die Botschaft von Hedak
überbrachtest, schon einmal mit dieser Frau gesprochen?“
„In Moab oft. In Juda niemals
bis zum heutigen Tag.“
„Hast du jemals mit diesem Mann
gesprochen?“ fragte Natan Ruth.
„Einmal in Moab. Ich bezahlte
ihn, damit er Boas vor der Falle warne, die Hedak ihm in Heschbon vermutlich
stellen würde.“
Boas sprang auf. „Diese
Botschaft hast du mir nicht überbracht, Cheb“, sagte er drohend. „Warum nicht?“
„Ich…“, Cheb suchte nach
Worten. — „Ich glaubte nicht, daß es angebracht wäre“, erklärte er, „da ich
eine Tafel des Königs und auch eine von Machlon, ihrem Mann, überbrachte, die
dir sicheres Geleit zusagten.“
„Ich halte es für glaubhafter,
daß du Moabs Interesse im Auge hattest, als du mir die Warnung unterschlugst“,
entgegnete Boas.
Cheb hielt seinen linken Arm in
die Höhe und stieß den Metallhaken herunter, so daß alle den Stumpf sehen
konnten. „Die Moabiter haben mir die Hand abgeschlagen!“ schrie er mit
geheuchelter Entrüstung. „Sollte ich sie dafür lieben und aus
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