Ruth
anderen, und ich wette, auch eine bessere Tänzerin.“
„Aber...“
Joseph ergriff ihre Hände,
bevor sie sich widersetzen konnte, und zog sie unter die Tänzer. Und da sie
wirklich gern tanzte, weigerte Ruth sich nicht länger, sondern gab sich dem
Rhythmus hin.
Es war ein lebhafter Tanz, der
fast nur von jungen Paaren ausgeführt wurde, und Joseph und Ruth waren
vorzügliche Tänzer. Ruth lachte über Josephs Einfälle, während sie
herumwirbelten und schwierige Schritte ausführten, die nur wenige der anderen
zu versuchen wagten.
Bald begannen die anderen Paare
den Tanzboden zu verlassen. Sie zogen es vor, den beiden zuzusehen, die ihnen
so offensichtlich überlegen waren. Schneller und schneller wurde die Musik,
aber das hübsche Paar ließ keinen Takt aus. Ruth glühte und war glücklich und
bei weitem die anmutigste aller Frauen.
Tob stand im Kreis der älteren
Leute, die zusahen, Ada ein paar Schritte hinter ihm, wie es sich für ihren
Stand als Sklavin ziemte. Jetzt näherte sie sich ihm von hinten und flüsterte
ihm zu: „Sieh, wie die Moabiterin Boas behext.“
Tob blickte hinüber zu Boas,
der die beiden Tänzer mit einem Lächeln beobachtete. Dieser Anblick ließ ihn
mißvergnügt die Stirn runzeln.
„Wenn Boas sie heiraten und
einen Sohn haben sollte“, stachelte ihn Ada auf, „wärst du nicht länger der
nächste Verwandte.“
Tobs Miene verfinsterte sich
noch mehr, und er fluchte leise.
„Außerdem“, fuhr Ada spöttisch
fort, „begehrst du die Moabiterin selbst. Willst du ruhig bleiben, während sie
Boas behext?“
„Du hast recht“, sagte Tob mit plötzlicher
Entschiedenheit. Er stürmte in den offenen Kreis, in dem jetzt nur noch wenige
Paare tanzten, und steuerte mit funkelnden Augen, puterrotem Gesicht und
flatterndem Gewand auf Ruth und Joseph zu: ein Bild selbstgerechter Empörung.
„Aufhören!“ schrie er. „Hört
auf mit dieser Schandtat vor dem Herrn!“ Er wandte sich wütend an Joseph und
forschte: „Willst du dabei helfen, wie diese Moabiterin Schmach über die Frauen
von Betlehem bringt?“
Ruths Wangen flammten vor
Entsetzen und Scham, und sie löste sich von Josephs Hand und rannte zu Noëmi,
die ihren Arm um die schmalen Schultern ihrer Schwiegertochter legte.
Bei Tobs überraschendem
Einschreiten hatten die Musikanten ihr Spiel unterbrochen. Die übrigen Tänzer
entfernten sich schnell von der offenen Fläche und ließen Joseph mit Tob allein
zurück. Die Leute waren unsicher, wessen Partei sie nun ergreifen sollten, aber
lange konnte dieser Zustand nicht andauern. Zelda und die anderen Frauen, die
Ruth haßten, würden diese Gelegenheit nicht versäumen, die Menge gegen sie
aufzuwiegeln, sobald sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten.
Joseph wich nicht vor Tob
zurück, aber Boas kam ihm zu Hilfe. Er schritt in den offenen Kreis inmitten
der Menge und sprach zu seinem Verwandten, sein Gesicht dunkel vor Zorn.
„Der Allerhöchste lehrt uns,
den Fremden zu lieben, Tob“, sagte er heftig. „Wagst du es, dich über die
Gebote Gottes zu stellen?“
Tob war im Augenblick
verblüfft, doch dann kam die schrille Stimme von Zelda aus der Menge: „Sie ist
eine Feindin.“
Es hätte Schwierigkeiten geben
können, auch wenn Boas Ruth verteidigte, hätte Joseph nicht laut und mit dem
richtigen Maß an Spott in der Stimme gesagt: „Boas nannte dich im Rat mehr als
einmal ein fettes Schaf, Tob. Aber ich habe bis heute nicht gewußt, daß du in
Wahrheit ein alter Widder bist, der nach dem hübschesten Lamm in der Herde
trachtet.“
Die Menge brüllte vor
Vergnügen, als Joseph in Nachahmung der kurzen Hörner eines alten Widders zwei
Finger an den Kopf legte, langsam im Kreis umherschritt und lüstern nach den
jungen Mädchen schielte. Eine ging auf den Scherz ein und gab vor wegzuhüpfen.
Ausgelassen schlug Joseph nach hinten aus und verfolgte sie durch die Menge.
Durch die begeisterten Zurufe
aus der Menge vollkommen aus der Fassung gebracht, stahl sich Tob davon, und
Boas gab den Musikanten ein Zeichen, erneut zu beginnen. Einige in Ruths Nähe
lächelten und sprachen scherzend mit ihr. Da erkannte sie mit einem plötzlichen
Glücksgefühl, daß sie von den Menschen aus Betlehem seit dem Zwischenfall freundlicher
betrachtet wurde als vorher.
Joseph kam zurück und nahm Ruth
erneut bei den Händen. Aber er führte sie nicht zurück zum Tanzboden. Statt
dessen geleitete er sie hinüber zu Boas und legte ihre Hände in die seinen.
Bevor einer von ihnen
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