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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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gewahr wurde, was er tat, rannte Joseph zu den Musikanten
und ließ sie in die einfache Melodie eines Bauerntanzes überleiten.
    Einen Augenblick lang stand
Boas steif vor Ruth und hielt ihre Hände, aber als sie ihm ermutigend
zulächelte und ihn zu den Tänzern zog, sträubte er sich nicht. Zuerst tanzte er
etwas ungeschickt, aber er war an den Rhythmus des Reitens gewöhnt, und Ruth
war so anmutig, daß er sich der Stimmung des Tanzes mit derselben Freude
überließ wie sie.
     
    Das Fest dauerte bis lange nach
Einbruch der Dunkelheit. Noëmi war früh gegangen, und Boas führte Ruth nach
Hause zurück. Er hielt ihre Hand, als sie sich auf einem Umweg durch Felder und
Olivenhaine der Stadt näherten.
    „Tamar und ich heirateten vor
vielen Jahren am Fest der ersten Früchte“, sagte er gedankenvoll. Es war das
erste Mal, daß er seine tote Frau erwähnte. „Sprich nicht darüber, wenn dich
die Erinnerung noch schmerzt“, sagte Ruth rasch.
    „Irgendwie möchte ich jetzt
darüber sprechen“, sagte er. „Sie war eine Frau, deren Eitelkeit die
Bewunderung anderer Männer brauchte, und ich war mit meinen Arbeitern, meinen
Feldern und meinen Herden beschäftigt, so lebten wir uns auseinander. Als ich
erfuhr, daß sie in die Arme eines moabitischen Liebhabers geflohen war, wollte
ich nur eines — ihn töten und sie als Ehebrecherin an den Toren Betlehems
gesteinigt sehen. Aber jetzt...“
    Ruth sprach nicht, denn sie
fühlte, daß er mit dieser Sache, die während all der Jahre, seit sie ihn zum
ersten Mal gesehen hatte, sein Herz bedrückte, auf seine Weise zurechtkommen
mußte.
    „Jetzt bin ich nicht mehr so
sicher“, gestand er. „Vielleicht habe ich an ihr genauso schlecht gehandelt wie
sie an mir. Es ist schwer für einen Mann, das Herz einer Frau zu verstehen.“
    Ruth lächelte. „Es ist wirklich
ganz einfach, wenn eine Frau einen Mann liebt. Dann gibt es nichts weiter in
ihrem Herzen als ihn.“
    „Ruth!“ Er sah sie an und nahm
ihre beiden Hände. „Als ich dir erzählte, was der kleine Josko über dich sagte,
wußtest du da, daß ich für mich selbst sprach?“
    „Ja... ich wußte es.“
    „Aber du hast nichts gesagt.“
    „Es gab nichts, was ich sagen
konnte.“
    „Hast du nicht gewußt, daß ich
Qualen litt, wenn ich nicht bei dir war? Und daß die ganze Welt für mich nur
das eine bedeutet, bei dir zu sein? Sag mir, daß du das verstehst, Ruth, denn
ich muß sicher sein, daß du so empfindest wie ich.“
    „Ich werde es dir sagen!“ rief
Ruth aus. Ein plötzliches Glücksgefühl durchflutete ihre Seele. „Ich habe auch
Qualen gelitten... o Boas, Boas... ich habe so schreckliche Qualen gelitten,
daß...“ Er ließ sie nicht zu Ende reden.
    Noëmi hatte sich schon
niedergelegt, als Ruth das Haus betrat. Sie schlief jedoch noch nicht, und
ihrem raschen Blick entging die Röte auf Ruths Wangen nicht, auch nicht das
Leuchten in ihren Augen und die Art, wie sie sich bewegte, als ob sie im Traum
wandelte.
    „Nun“, fragte Noëmi, „hat dir
das Fest gefallen?“
    „O ja! Ich bin glücklicher, als
ich es je gewesen bin seit...“ Ruth hielt inne, und die Farbe wich aus ihrem
Gesicht. Sie war kreidebleich. Plötzlich warf sie sich neben Noëmi auf das Bett
und vergrub ihr Gesicht an der Brust der älteren Frau.
    „Warum weinst du, Ruth?“ fragte
Noëmi.
    „O Noëmi! Alles ist
fehlgegangen!“
    „Aber komm, sicherlich nicht
alles.“
    Ruth hob ihr tränennasses
Gesicht. „Ich liebe Boas, ich weiß es seit heute abend.“
    „Warum solltest du nicht?“
fragte ihre Schwiegermutter sachlich.
    „Aber es ist falsch.“
    „Wieso?“
    „Wenn — wenn ich mir erlaube,
Boas zu lieben, bin ich dem Andenken Machlons untreu.“
    Noëmi lächelte. „Wer könnte
besser für meinen Sohn sprechen als seine Mutter, Ruth? Und ich sage dir jetzt,
daß selbst Machlon nichts Schlechtes darin sehen könnte, wenn du den Mann
liebst, den er am meisten verehrte.“
    „Dann bist du einverstanden?“
    „Von ganzem Herzen. Ihr beide
habt großes Unglück kennengelernt und verdient das Glück, das ihr einander
geben könnt. Möge Gott euch beide segnen und euch starke Söhne schenken.“
    „Heute nacht, als Boas mich
küßte“, sagte da Ruth, „schien sich der ganze Kummer meines Herzens von mir zu
lösen und zu seinen Füßen zu zerbrechen. Es war, als ob ich niemals zuvor
Kummer verspürt hätte, sondern nur die Freude, die ich einst mit Machlon
empfand. Ich glaubte sogar, eine Stimme zu hören, die

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