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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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geblendet
von ihrer Schönheit. Ich würde ihr mein Nordfeld geben, nur um sie lächeln zu
sehen.“
    Boas’ Gesicht wurde ernst.
„Felder sind wertvoll. Denke ein bißchen länger darüber nach, Josko.“
    „Ich habe darüber nachgedacht.
Ich habe einen Entschluß gefaßt, und wenn Josko einen Entschluß faßt, steht er
fest wie ein Fels. Ich werde sie bei der Tenne fragen. Ganz gleich, mit welchem
Mann sie dort ist, ich werde sie ihm nehmen und sie fragen.“
    Er sah zu Boas auf, wobei er
sich wegen des größeren Wuchses seines Freundes auf seinen krummen Beinen
zurücklehnen mußte. „Aber vielleicht wird sie schon vorher jemand haben wollen.
Ich sollte sie jetzt fragen.“
    „Überstürze nichts, Josko“,
riet Boas. „Trink deinen Wein aus.“
    „Ich brauche keinen Wein.“
Josko war jetzt ganz durcheinander vor Angst, daß irgend jemand Ruth fragen
könnte, bevor er selbst dazu käme.
    „Du kannst gut mit Worten
umgehen, Boas. Aber wenn ich versuche, mit einer Frau zu sprechen, ist meine
Zunge wie ein Stein. Bitte sprich mit ihr für mich.“
    „Hat sie dich ermutigt, Josko?“
    „Sie hat mich angelächelt. Zweimal
an diesem Morgen hat sie mich angelächelt.“
    „Sie könnte es auch schlechter
treffen“, murmelte Boas zu sich selbst, und seine Miene verfinsterte sich.
„Komm mit mir, Josko“, sagte er plötzlich. „Ich werde jetzt mit ihr reden.“
    Ruth blickte von ihrer Arbeit
auf, als die beiden Männer sich ihr näherten. „Schalom!“ sagte sie ruhig.
    „Mein Nachbar hier, Josko, hat
dir etwas zu sagen“, sagte Boas abrupt, ohne den höflichen Gruß zu erwidern.
    „Ja?“ Ruth sah Josko an. Das
Gesicht des kleinen Mannes war weiß und starr. Seine Lippen bewegten sich, aber
es kam kein Laut über sie.
    „Kannst du ihr nicht sagen, was
du mir eben mitgeteilt hast, Josko?“ forschte Boas.
    Josko versuchte erneut zu
sprechen, aber es kamen keine Worte. Er schüttelte seinen Kopf und ging einige
Schritte weiter. Stumm flehte er seinen Freund an, in seinem Namen zu sprechen.
    Boas wandte sich an Ruth.,
Josko hat mir eben mitgeteilt“, sagte er ernst, „daß du ihn ins Herz getroffen
hast.“
    „Ich?“ fragte Ruth überrascht.
    „Nicht, daß er sich über das,
was du getan hast, beschwert“, versicherte er ihr ein wenig sarkastisch. „Er
sagt, wenn er dich ansehe, sei es, als ob du eine Göttin wärest und nicht
sterblich. Seine Augen seien geblendet von deinem Antlitz.“
    Eine leichte Röte überflutete
Ruths Wangen. „Bist du — bist du heiter vom Wein?“ fragte sie leise.
    Einen langen Augenblick sagte
Boas nichts. Dann sprach er, und seine Stimme und seine Haltung waren plötzlich
vollständig verändert. „Ich wollte dich demütigen“, gestand er. „Aber du kannst
sehen, daß Josko nicht scherzt — und ich auch nicht.“
    Seine Augen trafen die ihren,
und plötzlich gab es nur noch sie beide auf der Welt. Der kleine Josko, der nur
ein paar Schritte von ihnen entfernt war und alles verstand, die Schnitter, die
Frauen und die Kinder — alle waren vergessen.
    „Weißt du, was für ein Wunder
der Morgenstern sein kann, wenn ein Mann die ganze Nacht in Dunkelheit
gewandert ist und sich sagte, daß die Meilen niemals enden würden?“ fragte er,
und seine Stimme war von Staunen erfüllt. „Wenn plötzlich ein Stern heller
scheint als alle anderen und sein Herz einen Sprung macht, weil sich im Osten
der Morgen ankündigt?“
    Ruth sah ihn unverwandt an. Als
sie jetzt sprach, war ihre Stimme so leise, daß nur er sie verstehen konnte.
„Ich habe viele dunkle Nächte durchwandert.“
    „Und gedacht, du würdest den
Morgenstern nicht sehen?“
    „Seit vielen Monaten hat es für
mich keinen Morgenstern gegeben“, sagte sie leise. „Bis...“
    „Dann weißt du, was es für ein
Wunder ist, wenn er erscheint. Das Gesicht einer Frau, plötzlich im
Vorübergehen bemerkt, vielleicht in einem Feld beim Sternenlicht. Wenn ein Mann
verstummt, wenn er die Worte nicht aussprechen kann... vielleicht kannst du
verzeihen. Es ist nicht immer möglich, zu sagen, was geschehen ist oder wann es
geschah.“
    „Es gibt nichts zu verzeihen.“
Ruths Augen leuchteten. „Es gibt nichts zu verzeihen, Boas.“
    Er sah sie lange an, als ob er
selbst die Wirklichkeit noch nicht fassen könnte. Dann wandte er sich wortlos
ab und ging hinüber zu seinem Pferd. Der kleine Josko trottete hinter ihm her.
    „Boas!“ Josko zupfte an seinem
Ärmel. „Glaubst du, daß sie mich mag?“
    „Ein andermal

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