Ruth
sagte, ‚Ruth, erhebe
deine Augen. Du bist wieder eine Frau.’“
10
Glück war in den Herzen von
Boas und Ruth in dieser Nacht, nicht aber im Hause Tobs. Ada war Tob vom
Tanzboden gefolgt und sobald sie außer Hörweite der Leute waren, hatte ein
Streit begonnen, der sich nun in Tobs Schlafgemach fortsetzte.
„Ich war wütend, als du
versuchtest, die Moabiterin zu zwingen“, stieß Ada hervor.
„Du meinst, als sie versuchte,
mich zu verführen“, verbesserte sie Tob tugendhaft.
„Mich brauchst du nicht zu
belügen, Herr .“ Ada spuckte das Wort verächtlich aus. „Du bist noch
nicht einmal der Widder, den Joseph dich nannte, sondern nur ein alter
Ziegenbock.“
„Nimm dich in acht!“ schrie Tob
außer sich vor Zorn. „Du bist noch immer eine Sklavin, Ada. Ich kann dich
auspeitschen lassen.“
Ada warf ihm einen vernichtenden
Blick zu. „Angenommen, ich erzählte, wie du gewisse Frauen aus Betlehem
getröstet hast, wenn ihre Männer anderweitig beschäftigt waren?“
„Still!“ Tobs Zorn wich
zitternder Furcht, denn die Strafe für solche Taten war der Tod durch
Steinigung. „Was verlangst du denn von mir?“ fragte er mit beschwichtigender
Stimme.
„Laß die Moabiterin
verschwinden.“
„Ich könnte sie zu meiner Frau
machen“, sagte er nachdenklich. „Dann könnte sie Boas nicht heiraten und Söhne
großziehen, die mich um die Erbschaft brächten.“
„Du kannst sie heiraten, wenn
es zum Schlimmsten kommt“, stimmte Ada widerstrebend bei. „Aber versuche, dir
eine bessere Lösung einfallen zu lassen.“
„Der Rat versammelt sich in ein
paar Tagen. Wenn ich ihn davon überzeugte, daß wir uns auf die alten Gesetze
gegen den Einlaß von Fremden in unser Land besinnen müssen, könnte Boas sie
nicht heiraten.“
„Das ist ein guter Plan“,
bestätigte Ada. „Aber sieh zu, daß du ihn nicht scheitern läßt, während du nach
der Schönheit der Moabiterin gierst. Selbst wenn du sie wirklich heiraten
solltest, wirst du nicht lange deine Freude an ihr haben. Dafür werde ich
selbst sorgen.“
Der Rat der Ältesten, der den
Stamm Juda regierte, traf sich in dem großen Raum in Betlehem, in dem Boas nach
seiner Rückkehr aus Moab zum Rat von Israel gesprochen hatte. Gewöhnlich
wickelten sie nur Routineangelegenheiten ab, es sei denn, daß jemand, der sich
eines mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechens schuldig gemacht hatte,
gerichtet werden mußte.
Tob hatte nicht den Fehler
gemacht, die Schritte, mit denen er Boas’ Vermählung mit Ruth zu verhindern
suchte, öffentlich bekannt werden zu lassen. Seit zwei Tagen war er eifrig
bemüht, in den Herzen der älteren und weniger toleranten Mitglieder des Rates
den Grund vorzubereiten, in den er den Samen der Angst vor Moab säen zu können
hoffte. Er mußte jedoch behutsam vorgehen, damit er dadurch nicht Boas’
Forderung, daß Juda sich bewaffnen müsse, unterstützte.
Als Natan, ein altes und
angesehenes Ratsmitglied, sich zum Ende der Sitzung erhob, um eine, wie er
sagte, besonders wichtige Sache vorzutragen, lehnten sich die Ältesten in ihren
Sitzen erneut zurück, um ihm zuzuhören. Boas tat das gleiche, obwohl er
ungeduldig darauf wartete, sich wieder der kriegerischen Ausbildung der jungen
Männer zuwenden zu können, jetzt, da die Erntearbeiten beendet waren und das
Korn vor dem Worfeln trocknete.
Tob präsidierte. „Welche Sache
wünschst du vorzubringen, Natan?“ frage er respektvoll und ließ sich nicht
anmerken, daß er es bereits wußte.
„Wir alle wissen, daß der Löwe
von Juda durch den Verrat Moabs beinahe von uns genommen wurde“, begann Natan.
„Seit vielen Jahren nun haben wir den Menschen anderer Völker erlaubt, zu uns
zu kommen und bei uns zu wohnen, sogar Land zu besitzen, trotz der uralten
Gesetze gegen den Einzug von Fremden in Israel und die Heirat zwischen
heidnischen Frauen und unseren jungen Männern.“
Boas warf Natan einen
überraschten Blick zu und schaute dann schnell zu Tob hinüber. Nach dem
Ereignis beim Fest der ersten Früchte hatte er mit Bestimmtheit erwartet, daß
Tob irgendwelche Schritte gegen Ruth unternehmen würde. Aber Tob war schlau
genug gewesen, seine Ansichten von einem Mann wie Natan Vorbringen zu lassen,
den man in Israel, wo man seit jeher Alter und Weisheit gleichsetzte, zu
respektieren hatte.
„Es ist nicht ungerechtfertigt
anzunehmen, daß einige dieser Heiden uns ausspionieren würden, wenn sie die
Gelegenheit dazu hätten, und den
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