Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
fragtest doch nach dem Lied von dem Lampenschimmer und wir beide zwei - und hier ist sie, bitte sehr...“
Axel nahm das Paket entgegen, stand unschlüssig da und zupfte am Einwickelpapier.
„Das ist doch aber - ja, tausend Dank, das ist aber viel zuviel - es
- es ist aber eine Überraschung, dich hier zu sehen, Beate - schade, daß ich keine Ahnung davon hatte, daß du kommen würdest - ich -eh - ich bin nämlich leider gerade besetzt - ich habe einen Geschäftsbesuch, weißt du...“
Das sah ich. Dicht hinter Axel hing der zitronengelbe Orlonmantel seines Geschäftsbesuchs, mit einer giftiggrünen Spinne auf dem Aufschlag. Und Axel war von einem Duft umhüllt - einem Duft von einem fremdartigen, seltsamen, würzigen Parfüm.
„Jaja, daran ist ja nichts zu ändern.“ Oh, wie war ich tüchtig, meine Stimme zitterte tatsächlich nicht mal.
„Es tut mir wirklich leid, daß du dir den Weg gemacht hast -hättest du bloß vorher angeläutet!“
„Ja, das war natürlich dumm. Nun, wir sehen uns vielleicht ein andermal - irgendwann...“, fügte ich hinzu. „Natürlich, das ist doch klar. Ich läute dich an.“
In seinem Tonfall lag etwas Abschließendes. Ich verstand, daß es nicht gut möglich war, den Geschäftsbesuch noch länger warten zu lassen. „Schön. Tu das. Du findest mich bei Dr. Gerhard Rywig, privat.“
„Fein. Ja, vielen Dank für die Platte, Beate, und entschuldige bitte, aber.“
Ich entschuldigte. Und die Tür schloß sich hinter mir.
Auf bleischweren Beinen ging ich die Treppe hinunter. Ich sah nichts mehr von den Lichtern und dem fröhlichen Leben und Treiben der Großstadt. Ich sah nur, daß es Abend war und alle Menschen irgendwie zusammengehörten, jemanden hatten, den sie liebten oder auf den sie böse waren, oder an dem sie Anteil nahmen oder in den sie verliebt waren. Nur ich hatte niemanden.
Geschäftsbesuch. Mit hellgelbem Orlonmantel und würzigem Parfüm.
Aber - mit einem Male blieb ich mitten auf dem Bürgersteig stehen.
Wer sagte denn, daß der Orionmantel Axels Gast gehörte? Vielleicht gehörte er seiner Wirtin?
Und das Parfüm - Axel hatte doch immer einen feinen, leisen Duft von Rasierwasser an sich. Vielleicht war er nur zu einer neuen Marke übergegangen?
Er hatte außerdem gesagt, er wolle anläuten. Vielleicht tat er es morgen. Vielleicht schon heute abend, wenn der Geschäftsbesuch endlich gegangen war.
Mit einem Male hatte ich es wahnsinnig eilig und stürzte nach Hause, so schnell ich konnte.
„Bist du schon wieder da, Beate? Prima, daß du kommst! Du, Beate hör doch mal - einer will Musik im Radio hören und einer will einen Vortrag haben, da muß doch abgestimmt werden, nicht wahr?“
Es waren die Zwillinge, die beide gleichzeitig auf mich einredeten. „Soso, ihr wollt also Musik hören und Bernt einen Vortrag.“
Ich hatte den Mantel noch nicht ausgezogen, da mußte ich schon versuchen, ein salomonisches Urteil unter den dreien zu fällen.
Im Wohnzimmer saß Bernt am Radio und schaltete eben von einem englischen Jazzorchester auf einen norwegischen Vortrag um.
Ich guckte über seine Schulter in die Radiozeitung. „Unsere Gebirgspflanzen“, hieß der Vortrag.
„Nun stehen also zwei gegen einen?“ fragte ich. „Aber wenn ich den Vortrag auch gern hören möchte, dann stehen zwei gegen zwei!“
„Dann müssen wir losen“, sagte Senta (oder Sonja). „Nein, halt mal“, rief ich. „Ihr beiden Irrwische könnt nach oben in mein Zimmer gehen und dort die Jazzmusik hören. Wozu habe ich denn ein Zimmer mit Radio? Aber nicht so laut, daß Hansemann nicht wach wird!“
Die Zwillinge stürzten los, und Bernt warf mir einen forschenden Blick zu. Es war, als wollte er etwas sagen, besann sich aber.
Nun saß er vornübergeneigt und hörte gespannt zu. Ich versuchte ebenfalls, zu folgen. Offengestanden war mein Interesse für
Gebirgspflanzen nicht übermäßig groß, aber ich wollte gern ergründen, was Bernt so sehr erfüllte.
Es war schwer, die Gedanken zusammenzuhalten. Die ganze Zeit hörte ich eine Stimme in meinem Ohr: „Ich habe einen Geschäftsbesuch...“
Und die ganze Zeit sah ich einen hellgelben Mantelaufschlag vor mir mit einer großen, grünen Spinne.
Die Stimme im Radio war wahrhaftig nichts weiter als eine Begleitmusik zu meinen trübseligen Gedanken. Ich hatte einen Kloß im Hals sitzen, und ich war ganz furchtbar enttäuscht.
Aber wenn auch - wenn auch - es konnte doch sein, daß Axel die Wahrheit gesagt hatte. Es konnte
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