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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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eine Stimme, die ich am allerwenigsten von allen zu hören erwartet hätte: „Aber Gerhard, um alles in der Welt, was tust du denn da?“
    Ich fuhr herum. Keiner von uns hatte die Tür aufgehen hören. Und ich sah in das Gesicht von - Tante Julie!
    Ich weiß nicht mehr, wie ich aus der Tür kam. Ich weiß nur, Tante Julie hatte meine letzten Worte gehört, hatte den Doktor mit dem Rohrstock in der Hand und mich dicht vor ihm stehen sehen.
    Draußen auf dem Vorplatz putzte ich mir die Nase und trocknete meine Tränen. Und dann rührte ich mich nicht vom Fleck. Keine Macht der Erde hätte mich im Augenblick davon überzeugen können, wie ungehörig und taktlos es war, daß ich dastand und horchte.
    Denn ich horchte wirklich! Ich machte die Ohren so lang, wie ich nur konnte. Jetzt würde man mir wohl den Laufpaß geben.
    Vielleicht würde es gänzlich überflüssig sein, daß ich kündigte. Die Götter mochten wissen, wie es zuging, daß Tante Julie plötzlich auftauchte, ich vermutete sie wohlgeborgen im Sanatorium für rheumatische Krankheiten. Aber nun kam sie ja gerade im rechten Augenblick, nun konnte der Doktor mich entbehren und mit einem Monatslohn in der Tasche nach Tjeldsund zurückschicken...
    „Du bist völlig im Irrtum, Tante Julie“, hörte ich des Doktors Stimme jenseits der Tür.
    „Aber lieber Gerhard, ich finde dich mit dem Rohrstock in der Hand stehen und Fräulein Hettring vor dir, in Tränen aufgelöst - ich habe ja gleich gesagt, daß Fräulein Hettring zu jung für diese Stellung ist, Gerhard, und ich verstehe nur zu gut, daß sie dich irritieren muß, aber...“
    „Unsinn“, schnitt des Doktors Stimme ihre Rede ab. „Fräulein Hettring irritiert mich überhaupt nicht, wohl aber dein Freund Hansemann.“
    „Großer Gott!“ kreischte Tante Julie auf. „Du haust doch nicht etwa Hansemann?“
    „Weder Hansemann noch irgend jemand anderen“, entgegnete der Doktor kurz angebunden. „Um diese Angelegenheit brauchst du dich gar nicht zu kümmern, liebe Tante. Es ist nur eine Kleinigkeit, die Fräulein Hettring und ich allein abmachen.“
    „So. Hm. Merkwürdig. Zu meiner Zeit kamen derartige Kleinigkeiten’ nicht vor...“
    Meine Ohren klappten geradezu hin und her, als ich das hörte, und ich nahm beim Horchen noch Mund und Augen zu Hilfe.
    „Fräulein Hettring ist zu jung, Gerhard“, wiederholte Tante Julie. „Und was nimmt sie sich denn dir gegenüber heraus! Ich hörte einiges von dem, was sie sagte - sie sagte dir ja Sachen - , das ist doch ein Skandal, Gerhard! Ich verstehe völlig, daß du mit so einem jungen Ding Ärger hast.“
    „Liebe Tante, du irrst dich ganz und gar, und diesen kleinen Zwischenfall wünsche ich allein zu regeln, ohne deinen Beistand.
    Aber Fräulein Hettring ist kein junges Ding, sie ist ein erwachsenes und gutes und kluges Menschenkind.“ Hier mußte ich mich in den Arm kneifen.
    „...die Kinder hängen an ihr, und sie versteht es wunderbar, Freude und Behagen in unserem Haus zu verbreiten. Was du einen Skandal nennst, das nenne ich mutig. Und für mich ist die Angelegenheit jetzt erledigt. Nun möchte ich gern wissen, wie es dir geht, Tante Julie, und weshalb du plötzlich nach Oslo kommst?“
    Ich schlich auf Zehenspitzen über den Vorplatz und in die Küche hinüber. Hier wusch ich meine verweinten Augen und brachte mein Haar in Ordnung, schnaubte mir gründlich die Nase und legte die Küchenschürze ab. Kaum war ich fertig, da kam Maren auch schon, um das Abendbrot zu richten.
    Ich ging hinaus, es war mir unmöglich, jetzt mit Maren zu reden. Einen Augenblick stand ich unschlüssig. Was sollte ich machen? Ins
    Wohnzimmer gehen und die Dinge auf mich zukommen lassen? Zu Hansemann hineingehen? Nachsehen, was die Zwillinge machten? Oder...
    So entschloß ich mich denn zu dem „oder“.
    Diesmal klopfte ich nicht bei Bernt an. Ich ging geradenwegs hinein, trat zu ihm an den Schreibtisch, wo er saß und vor sich in die Luft starrte. Ich nahm seine Hand fest in die meine. Da sah er hoch. „Du hast geweint, Beate.“
    „Ja, natürlich habe ich geweint. Ich bin leider ziemlich dicht am Wasser gebaut.“
    „Es war meine Schuld.“
    „Ja. Und Hansemanns.“
    „Ich hörte, wie Hansemann schrie.“
    „Ja, das konntest du wohl nicht überhören.“
    „Ich hatte nicht gedacht, daß er es sich so zu Herzen nehmen würde, Beate.“
    „Du dachtest in dem Augenblick wohl überhaupt nicht, mein Junge.“
    Da lächelte Bernt. Ein mattes kleines Lächeln, aber

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