Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
aber“, rief ich. „Könnt ihr euch denn nicht vertragen?“ Bernt blickte auf.
„Ich möchte bitte nur in Ruhe gelassen werden, weiter nichts.“ „Hör mal, Hansemann“, sagte ich. „Bernt hat so viel zu tun, und da wollen wir ihn nicht stören. Wir gehen jetzt zu dir rüber und suchen uns ein Bilderbuch in deinem Schrank, was meinst du?“ „Warum kann ich denn nicht Bernts Bilder ansehen?“
„Das sind doch bloß Bilder mit Blumen drauf, Hansemann, und du möchtest doch lieber immer Miezekatzen und Hunde und so was sehen. Komm.“
Ich zog Hansemann mit hinaus. Er war tief gekränkt und sperrte sich. Uff, es war unbequem, daß dies bezaubernde Kind mittags nicht mehr schlief. Immerfort wollte er unterhalten werden.
In der Tür drehte er sich um und streckte die Zunge weit heraus. Endlich hatte ich ihn mit einigen alten Illustrierten und einer stumpfen Schere einigermaßen versöhnt, und ich versprach ihm außerdem, daß wir die Bilder hinterher in ein Buch einkleben wollten.
Dann mußte ich unten meinen Pflichten nachgehen. Ich hatte
Hansemann in mein Zimmer gesetzt, er schien auch ganz in sein Ausschneiden vertieft zu sein. Kurz darauf hörte ich Bernt auf dem Vorplatz rumoren.
„Willst du fortgehen, Bernt?“
„Ich will mir Fotoecken holen. Ich hab keine mehr.“ Der Doktor läutete an und sagte, er käme erst zum Abendbrot nach Hause. Das war nichts Besonderes. Der arme Mann arbeitete sich noch zuschanden.
Ich mußte mir etwas Gutes für ihn ausdenken - ein warmes Gericht zum Abendessen. Ich hatte den Verdacht, daß es mit seinem Mittagessen in der Stadt nicht weit her war. Hatten wir nicht noch einen Schinkenrest liegen? Dann könnte ich doch eine Omelette mit Schinken machen - oder...
Da kam Bernt auch schon zurück und ging sofort nach oben. Plötzlich gellte ein Schrei durchs Haus - ein Schrei des Entsetzens, der Verzweiflung.
Ich ließ stehen und liegen, was ich in Händen hatte, und rannte nach oben. Als ich in Bernts Zimmer stürzte, ja, da hätte ich vor Gram laut herausheulen können.
Die sauberen Herbariumbogen lagen rund herum im Zimmer verstreut. Manche waren zerknittert, andere entzweigerissen. Reste von zerfetzten Farbfotos lagen überall auf Tisch und Fußboden herum. Bernts monatelange, sorgfältige Arbeit war im Laufe von fünf Minuten zerstört worden.
Die Wut stieg in mir hoch. Kaum konnte ich atmen. Nun mochte es biegen und brechen. jetzt sollte Hansemann Haue haben, richtiggehende, altmodische Haue!
Bernt saß in sich zusammengesunken auf seinem Stuhl vor dem Schreibtisch. Er stützte den Kopf in die Hände und gab keinen Laut von sich. Ich ging leise zu ihm hin und strich ihm übers Haar. „Lieber Bernt - ich bin ganz außer mir, es ist.“
„Beate - tu mir den Gefallen - geh.“
„Kann ich dir denn nicht wenigstens helfen, Bernt - es kann doch vielleicht noch vieles gerettet werden.“
„Ach Beate - sei so gut - sei bitte so gut und geh.“
Seine Stimme klang heiser und tonlos. Ich ging zur Tür.
„Rufe mich, wenn ich etwas für dich tun kann, Bernt.“ Er gab keine Antwort. Und ich ging hinaus. Was hatte es für einen Zweck, wenn ich Hansemann strafte? Wenn ich ihn auch grün und gelb schlüge, so würde das Bernts Fotos und Blumen nicht wieder
herbeischaffen.
Natürlich war es abscheulich, was dieser Satansbengel gemacht hatte. Aber wenn ich gerecht sein wollte, mußte ich zugeben, daß das Kind nicht die leiseste Ahnung von dem Schaden hatte, den es angerichtet hatte.
Hansemann war nicht mehr in meinem Zimmer. Ich fand ihn unten im Wohnzimmer. Er hatte Schutz gesucht bei den Zwillingen, die gerade nach Hause gekommen waren.
„Ihr dürft nicht mit Hansemann reden“, sagte ich ziemlich streng. „Er ist sehr unartig gewesen, und nun soll er allein in der Küche essen und dann ins Bett gehen. Und ihr beiden geht hinauf und macht Schularbeiten.“
„Was ist denn, Beate?“ fragte Sonja ängstlich.
„Das können wir nachher besprechen. Ich bin sehr böse auf Hansemann. Komm mit, Hansemann, du ißt jetzt und gehst gleich zu Bett, ich will dich heute nicht mehr hier unten sehen.“
„Ich will aber noch nicht ins Bett.“
„Du gehst ins Bett, und ich will kein Wort mehr von dir hören.“ Hansemann wurde unsanft beim Kragen genommen und in die Küche hinausgeschoben. Er bekam nichts als einen Teller heiße Milch mit Weißbrot vorgesetzt, und auf seine Proteste erhielt er keine Antwort. Nachdem er eine Viertelstunde dagesessen und mit dem Löffel
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