Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
wirklich das Haus vorbildlich instand gehalten und den Kindern gute Manieren beigebracht.“
„Jaja. Das ist immerhin was. Weißt du, Bernt, es ist nahe elf Uhr. Möchtest du nicht schleunigst in die Falle gehen?“
„Jaja. Ich dachte nur - ob vielleicht noch ein paar Kirschen übrig sind, ich habe so wenig abgekriegt vorhin...“
„Nimm sie mit zu dir rauf, Bernt, sie stehen im Kühlschrank.“ „Hmmm, vielen Dank, Beate. Und gute Nacht. Und - und -tausend Dank für - alles.“
„Gute Nacht, Bernt. Schlaf gut.“
„Na, gute Nacht, Papa. Du bist.“ Bernt stockte und wurde rot. „Was bin ich? Ein alter Griesgram?“
„Das auch. Aber ich wollte sagen: ein feiner Kerl.“
„Da muß ich wohl ,danke gleichfalls’ sagen, mein Junge. Schlaf nun gut, trotz allem.“
Der Doktor und ich blieben allein. Ich holte den Bären unter dem Kissen hervor und setzte meine „Operation“ fort. Der Doktor warf einen Blick auf meine Arbeit, ohne etwas zu sagen. Dann erhob er sich, und im nächsten Augenblick plumpste ein Paket in meinen Schoß.
„Bitte. Mögen Sie Schokolade?“
„Na, und ob! Tausend Dank, aber das ist doch viel zu.“
„Denkt nicht dran, es ist nicht viel zu. Ich habe sie im Bahnhofskiosk gekauft, übrigens mit Bernts rückhaltlosem Einverständnis.“
„Das ist aber furchtbar lieb von Ihnen.“
„Ach, übrigens, was das furchtbar lieb’ anbetrifft - ich habe so ein dumpfes Gefühl, als hätten Sie Anspruch auf eine Antwort von mir.“
„Eine Antwort?“
„Ja, eine Antwort auf Ihren - hm - Ihren Monolog, den Tante Julie unterbrach.“
Ich spürte, wie ich rot wurde.
„Eher haben wohl Sie Anspruch darauf, daß ich mich entschuldige - ich war ziemlich aus den Fugen.“
„Das war ich auch. Sind Sie sehr müde, Beate, oder sind Sie im Stande, noch ein wenig zu sitzen?“
„Bis morgen früh, wenn Sie wünschen.“
„Sehen Sie, Sie sind ja, gelinde ausgedrückt, ziemlich stark in diese Geschichte verwickelt, die meine Söhne heute angezettelt haben. So müssen Sie auch erfahren, daß Bernt und ich eine richtige, vernünftige Aussprache gehabt haben. Er sieht ein, daß eine Rache, wie er sie verübt hat, völlig sinnlos ist, und ich habe meinerseits zugegeben, daß ich seine Wut verstehe. Nein halt, unterbrechen Sie mich nicht, ich weiß nämlich, was Sie sagen möchten. Wäre es dazu gekommen, daß ich Bernt verhauen hätte, so wäre das genauso sinnlos gewesen. Das hätte den Petz auch nicht wieder heilgemacht. Und, Beate, das wollte ich Ihnen also sagen - ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar, daß Sie mir den Kopf gewaschen haben. Ich war wütend, das gebe ich zu - und gottlob haben Sie mich davor bewahrt, eine mordsmäßige Dummheit zu begehen.“
„Was soll ich nun darauf antworten, Herr Doktor!“
„Kein Sterbenswörtchen. Sie hatten heute nachmittag das Wort, da verlangten Sie von mir, ich solle schweigen, und nun bitte ich Sie um das gleiche, nur höflicher, als Sie es taten.“
Der Doktor lächelte und blickte mir voll ins Gesicht.
„Sie sind ein großartiges Mädel, Beate! Nun, also, zum Thema zurück. Ich habe Bernt versprochen, ihm beim Ordnen seiner Bilder und Pflanzen zu helfen, und dann darf er sich neue Abzüge von den Farbfotos bestellen. Die Filme hat er ja zum Glück. Das ist eine unglaubliche Arbeit, die der Junge da geleistet hat, so viel konnte ich sehen. Und ich bin so froh, daß er ein so großes und glühendes Interesse hat für etwas wirklich Vernünftiges. Wir wollen nur hoffen, daß der kleine Missetäter nicht zu vielen Pflanzen den Garaus gemacht hat. So ein Rüpel...“
„Ja, was wollen Sie nun aber mit dem Rüpel machen?“
„Das werde ich Ihnen sagen. Ich werde ihm eröffnen, daß er das Schaukelpferd, das er sich zu Weihnachten gewünscht hat, nicht bekommt. Für das Geld muß der Weihnachtsmann neue Farbfotos für Bernt kaufen.“
„Herr Doktor! Sie sind ja ein erstaunlich guter Pädagoge“, entfuhr es mir.
„Danke ergebenst. Es kommt nicht alle Tage vor, daß man von einer Lehrerstochter ein solches Kompliment bekommt.“
„Entschuldigen Sie, Herr Doktor - es - es rutschte mir nur so heraus.“
„Ich gewöhne mich allmählich daran, daß Ihnen hier und da mal etwas herausrutscht“, schmunzelte der Doktor. „Und nun kommen wir zu dem, worüber ich eigentlich mit Ihnen reden wollte, nämlich zu dem, was Ihnen heute nachmittag rausrutschte. Sie sagten, das einzige, was meine Kinder in ihrem Elternhaus mitbekommen hätten, seien heile,
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