Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
auch.“
„Was machst du da?“
„Unser Mittagessen. Gebratenen Aal und Pflaumenkompott.“ Hans Jörgens Augen wanderten zu einem Korb mit Pflaumen auf dem Küchentisch.
„Du kannst wohl nichts dafür! Hast du die feinen Viktoriapflaumen genommen? Die dürfen wir doch nicht pflücken, die sollen eingeweckt werden, hat Mutti gesagt.“
Katrins Herz sank in den Abgrund. Verflixt auch, daß sie nun gleich mit einem Schnitzer anfangen mußte! Sie ließ die Kartoffeln liegen und begann, die Pflaumen zu entsteinen. Gerade erschien Frau Rywig in der Tür. „Nun, Katrin, findest du dich zurecht?“
„Oh, es geht ganz gut. Ich habe einige Pflaumen von dem Baum hier draußen genommen, aber nur die wurmstichigen und die, die sowieso zu weich geworden waren. Die hätten zum Einwecken doch nicht getaugt.“
„Waren welche wurmstichig?“ sagte Frau Rywig. Dann schwieg sie. Sie hatte die Pflaumen am Tage zuvor in Augenschein genommen; sie waren makellos gewesen.
Sie blieb einen Augenblick stehen, überlegte - dann lächelte sie. „Es ist schrecklich, daß wir dich zur Arbeit anstellen, kaum daß du zur Tür herein bist. Aber daran ist der widerliche Aal schuld.“ „Das ist doch aber schön“, sagte Katrin. Sie angelte die Aalstücke aus dem Durchschlag und trocknete sie ab, dann machte sie sich von neuem an die Pflaumen. Frau Rywig lachte.
„Jetzt machst du es genau wie Senta.“
„Wieso?“
„Sie vergißt auch immer, sich die Hände zu waschen, ehe sie ein neues Gericht in Angriff nimmt. Ich wette, deine Hände riechen nach Fisch.“
Katrin wurde glühend rot. Sie schnupperte an ihren Händen, dann ging sie zum Wasserhahn. Sie wusch sich lange und gründlich.
„Ich vergesse es sonst nie“, sagte sie, und ihre Stimme klang ein bißchen krampfig. „Es kommt nur daher, weil - weil Aal nicht so stark riecht wie anderer Fisch.“
Frau Rywig sagte nichts darauf. Sie warf einen Blick über den Küchentisch: ein unwahrscheinliches Durcheinander. Die kleine Katrin verstand sich nicht auf die Kunst, immer wieder hinter sich aufzuräumen. Frau Rywig räumte mit schnellen, geübten Händen das Schlimmste beiseite, spülte ein paar gebrauchte Gegenstände ab und stellte sie säuberlich auf den Aufwaschtisch. Es war unfaßlich, wie viele Schüsseln und Messer und Löffel Katrin in so kurzer Zeit in Gebrauch genommen hatte.
Auf dem Herd war irgend etwas übergekocht. Frau Rywig holte einen Lappen und wischte auf.
„Ich wollte es eben machen“, sagte Katrin. „Es kommt daher, weil mit Gas alles viel rascher geht, zu Hause kochen wir elektrisch.“
„Ja natürlich. Ja, an Gas muß man sich erst gewöhnen.“ Frau Rywig sah ein wenig nachdenklich aus.
Es sollte nicht das letztemal sein, daß Katrin einen Satz mit „Es kommt daher, weil - “ begann.
Hans Jörgen stand am Gartentor und hielt Ausschau. Dann stürzte er vor und öffnete. Katrin sah vom Fenster aus, wie ein großer, blinkender, gepflegter Ford hereingefahren und zur Garage gelenkt wurde. In ihren Augen leuchtete es auf. Das war mal ein Auto!
Und dann kam Doktor Rywig. Ein wenig mager, ein wenig grauhaarig, mit einer Brille vor den wachen grauen Augen.
Katrin sagte ihm erst beim Mittagessen richtig guten Tag. Er war sanft und freundlich. Seine Miene hellte sich auf, als das Essen auf den Tisch kam.
„Nein, ward so etwas schon je gesehen! In diesem Hause hält eine neue Ära ihren Einzug, das merke ich. Katrin, wollen Sie es bitte übernehmen, meiner Frau und Senta beizubringen, wie man Aal brät?“
„Brauen kann ich ihn auch“, verteidigte sich Frau Rywig. „Aber ihn totmachen - ich weigere mich auf das entschiedenste, diese glitschigen Schlangen anzurühren.“
„Kannst du auch große Dorsche töten?“ erkundigte sich Hans Jörgen.
„Ja, gewiß doch.“
„Kannst du denn auch einen Steinbeißer töten?“
„Ich habe es schon mal getan, aber es ist gefährlich. Ehe du bis
drei gezählt hast, hat er dich gebissen.“
„Aber Kaninchen, kannst du die schlachten?“
„Nein, am liebsten nicht.“
„Arme Katrin! Ist es unbedingt nötig, daß sie etwas tötet, um bei dir Eindruck zu machen, Hans Jörgen? Iß jetzt deinen Aal, sonst wird er kalt.“
Hans Jörgen schwieg und aß. Katrin fummelte mit ihrem Fischbesteck. Sie schaute verstohlen auf Hans Jörgen. Wie anständig der Junge aß. Sie selber paßte auf wie ein Schießhund, daß sie nicht etwa das Fischmesser in den Mund steckte.
Und dann kam das Pflaumenkompott auf den
Weitere Kostenlose Bücher