Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
waren vor einer Woche alle zusammen da, und Bernt ist dann dort zurückgeblieben, der Glückspilz. Jetzt brechen für uns ja große Zeiten an, wenn du bei uns bist, du sollst ja wie ein Engel fahren - falls Engel Auto fahren können, heißt das. - Hier ist die Bahn, Katrin, hinein mit dir.“
Katrin starrte nach rechts und nach links, alles war neu, groß und fremd. Sie fragte Senta nach einigen größeren Gebäuden, an denen sie vorüberkamen, und Senta gab bereitwilligst Auskunft.
„Bist du noch nie in Oslo gewesen?“
„Nur einmal mit meiner Mutter zusammen. Da war ich zehn Jahre alt. Und allzuviel weiß ich nicht mehr von damals.“
„Warst du nicht zwölf, als deine Mutter starb?“
„Ja“, sagte Katrin leise. „Und wie alt warst du?“ fügte sie hinzu.
„Sechs. Da erinnert man sich nicht mehr so genau. Und dann weißt du ja, wir haben das unerhörte Glück gehabt, eine neue Mutter zu bekommen.“
Bei dem fröhlichen Geschwabbel taute Katrin auf. Wenn die ganze Familie so war wie Senta und Frau Rywig, dann war es keine Kunst, sich einzugewöhnen.
„Wann kommt dein Bruder wieder nach Hause?“ fragte sie plötzlich.
„Zu Weihnachten. Er studiert bei einem alten Busenfreund von Papa, einem Professor in Kopenhagen, Anatomie und Physiologie. Aber ab Neujahr soll er hier in Oslo weiterstudieren.“
„Stimmt es, daß Bernt so klug ist?“
„Grauenhaft! Du ahnst gar nicht, was der Bengel alles weiß und was er alles studiert. Einen Haufen Sachen, die für mich das reinste Chinesisch sind.“
Da lächelte Katrin. „Und dabei dachte ich, du verstündest gerade Chinesisch. Chinesisches Essen, meine ich.“
„Ach so, Beatemutti hat also aus der Schule geplaudert? Du, ich kann dir eins sagen: Chinesisch zu kochen macht wahnsinnigen Spaß, es schmeckt alles so gut. Weißt du, in Kopenhagen habe ich einen asiatischen Laden entdeckt, dort habe ich einen Haufen Gewürze gekauft, wir können also drauflos kochen, wir beide... Ich habe jetzt alles, was dazu gehört, Majoran, Basilikum, Safran, Soja und - und - nein, ich habe es nicht behalten, aber warte nur, bis du meinen Gewürzschrank zu sehen bekommst.“
„Was werdet ihr dann zu meiner Kocherei sagen? Ich soll doch auch in der Küche mithelfen?“
„Papa stößt ganz bestimmt einen Seufzer der Erleichterung aus, wenn du ihm einen anständig gekochten Dorsch vorsetzt. Den kannst du sicher kochen?!“
„Ja, das kann ich.“
„Fein. An den Tagen, wenn das Fischauto kommt, ziehe ich mich nur zu gern zurück und überlasse dir das Feld. - Jetzt sind wir gleich da, Katrin, hast du deine Handtasche? Ich nehme den Koffer. Hallo, da stehen ja Beatemutti und Stephan!“
Ja, da standen sie - Frau Rywig in einem farbenfreudigen Sommerkleid, der kleine Stephan im Overall und mit einem Pflaster auf der Stirn.
„Guten Tag, Katrin! Herzlich willkommen! Ja, was sagen Sie dazu, daß ich Sie so im Stich gelassen habe?“ Senta riß die Augen weit auf.
„Du sagst doch nicht etwa Sie zu Katrin, Beatemutti?“
„Mein Fräulein, du vergißt, daß Katrin erwachsen ist.“
„Ach Quatsch.“
„Aber Senta!“
„Entschuldige. Ich meine ,na wenn schon’.“
Katrin lächelte. „Ich finde es aber auch gräßlich, wenn jemand Sie zu mir sagt, Frau Rywig. Ich bin es gar nicht gewöhnt.“
„Ach, liebes Kind, Sie können sich - ich meine, du kannst dir doch vorstellen, daß ich nichts tun möchte, was du gräßlich findest. Stephan, komm, mach einen schönen Diener vor Katrin.“
Stephan verbeugte sich vorbildlich.
„Ja, gehen wir also - wir haben ein paar Minuten bis nach Haus, Katrin. Du bist sicher halbtot vor Müdigkeit?“
„O nein, gar nicht.“
„Da ist der Kaufmann“, sagte Senta und zeigte mit dem Finger zu dem Laden hinüber. „Dort holen wir unser Brot und unsere Lebensmittel und so was alles. Die exklusiveren Sachen besorgen wir in der Stadt, mußt du wissen.“
Exklusiv, dachte Katrin. Sie schaute Senta von der Seite an. Sie hatte keine Ahnung davon, daß Senta ein schwieriges Wort gebraucht hatte.
„Und hier ist die Tankstelle - und in dem Haus dort ist ein ganz ordentlicher Frisör.“
„Den brauche ich fast nie“, sagte Katrin lächelnd. „Mein Haar braucht nur ab und an mal geschnitten zu werden.“
„Riesig praktisch - und diese flotte Tolle steht dir verdammt gut.“
„Hier in dieser Straße ist der Milchmann“, erklärte Frau Rywig weiter. „Genau gegenüber der Schlachter - und damit weißt du wohl das
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