Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
aller Ruhe vernünftig mit ihr unterhalten kann. Ich wußte von vornherein, daß Schwierigkeiten auftauchen würden, aber siehst du, sie tat mir so bitter leid. Sie war so einsam, so - ja, in gewisser Weise so vernachlässigt - so hilflos und so tolpatschig. Und als sie sagte, ich ähnelte ihrer Mutter, da zerfloß ich. Ich dachte dran, wie gut und behaglich wir leben - denn das stimmt doch, Senta?“
Senta nickte eifrig.
„Und siehst du, Katrin weiß schon seit Jahren nicht mehr, was ein richtiges Zuhause ist. Sie ist wild aufgewachsen, wie ihre Schwester sagte. Die Brüder, sicher prächtige Menschen, haben sie nicht erzogen, vielleicht waren sie selbst zu jung - und der Vater, der vor drei Jahren starb, war zu alt. Sie ist - ja, wie soll ich das ausdrücken, sie ist nicht im Einklang mit sich selber, und vor allen Dingen hat ihr niemand etwas beigebracht.“
„Außer Segeln und Schwimmen und Autofahren und Aale totmachen“, sagte Senta mit einem kleinen Lächeln.
„Daß sie auf die Technische Schule gehen will, ist ausgezeichnet, nur schade, daß sie die mittlere Reife nicht hat. Ich glaube, es ist gut, daß sie zuerst dieses Jahr hier durchmacht, bevor sie auf die Schule kommt.“
„Denn hier geht sie in die Schule des Lebens und lernt einen Haufen Dinge, die sie weder in der Technischen Schule noch in der
Mittelschule lernt“, sagte Senta altklug.
„Ja, siehst du, wir haben die Aufgabe, etwas Ordnung in ihr Dasein zu bringen, wenn du verstehst, was ich meine?“
„Klar verstehe ich das.“
„Und du bist bereit, mir bei dieser Aufgabe zu helfen, Senta?“ „Du fragst, wie du’s nicht besser verstehst. Glaubst du, es gibt irgend etwas auf dieser Erde, wobei ich dir nicht helfen würde? Du weißt sehr gut, daß du mich um den kleinen Finger wickeln kannst, du Scheusal - genauso, wie du Papa und Bernt und Sonja und Hans Jörgen um den kleinen Finger wickelst.“
„Aber Stephan nicht“, sagte Beate trocken. „Der läßt sich in keiner Weise um irgend etwas wickeln.“
Auf der Straße war das Brummen eines Wagens zu vernehmen, und Senta ging ans Fenster.
„Hallo, da kommt unser Sorgenkind mit dem Wagen zurück. Guck dir mal das Gesicht an, Beatemutti, sieht sie nicht glücklich aus?“
Beate trat ebenfalls ans Fenster. „O doch“, sagte sie. „Sie hat da nämlich etwas unter den Händen, was sie kann. Und was sie nicht kann, das müssen wir versuchen, ihr beizubringen.“
„Nun überlassen wir dir das Haus und die Kinder und die Küche, Senta“, sagte Beate zwei Stunden später.
„Ja, danke, ihr seid ganz goldig!“
„Aber Kind, du mußt doch einsehen, daß ich in die Stadt muß. Und daß unser vorzüglicher Fahrer mich fahren muß!“
„Aber gewiß, gnädige Frau. Ich sehe alles zwischen Himmel und Erde ein. Daß ich meinen hoffnungsvollen Bruder aus dem Kindergarten abholen muß und ihm höchstwahrscheinlich frische Hosen anziehen muß - und daß ich das Essen machen muß - , aber wartet nur, ich räche mich grausam, heute koche ich chinesisch.“
„Da gnade uns Gott. Was willst du denn machen?“ „Schweinspfoten mit Ingwer und süßsaurer Soße. Und da könnt ihr was erleben.“
„Mein einziger Trost ist nur, daß du gezwungen bist, selbst davon zu essen“, lachte Beate. „Bist du fertig, Katrin? Ach ja, weil ich gerade daran denke, Katrin, willst du bitte nicht vergessen, die Balkontür aufzumachen, wenn du oben bei den Jungen saubergemacht hast? Heute morgen war sie nämlich zu.“
„Ach so, ja - ja - es kam nur daher, weil ich fand, es sähe nach Regen aus.“
„Oder Schneesturm“, murmelte Senta. Sie wollte noch etwas hinzufügen, schluckte es aber hinunter und beeilte sich, in der Küche zu verschwinden.
Beate unterdrückte ein Lächeln und ging mit Katrin zum Auto. Der Himmel war leuchtend blau, da war nicht auch nur das kleinste Wölkchen zu erblicken.
Beate machte ihre Besorgungen. Katrin trug fröhlich und bereitwillig Pakete und Tüten zum Parkplatz und verstaute sie im Wagen.
„Jetzt wollen wir noch für morgen etwas Schnuddliges erstehen“, sagte Beate schließlich. „Samstags machen wir es immer ein bißchen festlicher.“
„Das habe ich schon gemerkt“, sagte Katrin. „Letzten Samstag hatten wir ja nach dem Abendessen Eis, und Senta erzählte von dem Samstagsschäker.“
„Was meinst du, was wir für morgen kaufen?“
„Ich weiß nicht - irgend etwas, was alle mögen.“
„Was hältst du von Maiskolben?“
„Ich weiß nicht, ich
Weitere Kostenlose Bücher