Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Sie!“
„Was soll ich erzählen?“
„Von sich selber natürlich. Wir haben nur vierzehn Tage vor uns, Sonja. Dann müssen wir uns wohl oder übel für eine Zeit trennen -ich fürchte, es wird übel! - Wir müssen uns also beeilen und all das, wozu wir sonst Monate gebraucht hätten, auf diese wenigen Tage konzentrieren. Was normal in einer Woche geschehen würde, muß heut geschehen - habe ich nicht recht? Denn wir wollen uns doch gern kennenlernen, Impala?“
„Ja, Heiko. Das wollen wir. Also, womit soll ich anfangen?“
„Mit Ihrer Familie. Erzählen Sie alles, groß und klein, spannend und nicht spannend. Alles interessiert mich.“
Also erzählte ich. Von unserem Zuhause, von meinem vielbeschäftigten Papa, von unserer geliebten Beatemutti, von den Geschwistern. Aus der Schulzeit, aus meinem Englandjahr, von meinem gebrochenen Bein und wie ich durch einen Zufall afrikabesessen wurde. Zuletzt von meinen zwei Monaten mit Senta in Deutschland.
„Nur eins verstehe ich nicht“, sagte Heiko. „Warum haben Sie sich so viel Mühe mit der deutschen Sprache gemacht?“
„Das ist doch ganz einfach. Ich wußte ja, daß ich mit einer deutschen Reisegesellschaft herfahren würde und daß wahrscheinlich alle Menschen in meiner Umgebung deutsch sprechen würden. Nun erzählen Sie mir aber, wie es gekommen ist, daß Sie so phantastisch gut englisch sprechen! Das heißt, erzählen Sie zuerst alles andere!“ Heiko lächelte. Plötzlich streichelte er ganz schnell meine Hand, die auf der Armlehne lag. Dann legte er sich zurück in den Liegestuhl, guckte durch die Sonnenbrille in die Baumwipfel über uns und fing an zu erzählen.
Sein Vater war Beamter, seine Mutter „eine gewöhnliche, gute deutsche Hausfrau“, wie er mit einem kleinen Lächeln sagte. Er hatte einen jüngeren Bruder, der Volksschullehrer war. Er selber hatte als Kind schon leidenschaftlich gern fotografiert, und als er mit der Schule fertig war, ging er in die Fotolehre.
Während seiner Lehrzeit geschah mit ihm das gleiche, was mit mir im Krankenhaus geschehen war. Durch Bücher, Fernsehprogramme und Filme bekam er auch diese unbezähmbare Sehnsucht nach Afrika. Tiere waren schon immer sein Lieblingsmotiv gewesen, und der Wunsch, in Afrika die freilebenden Tiere zu filmen und zu fotografieren, ließ ihn nicht mehr los. Bald erweiterte sich sein Interessengebiet - es waren nicht nur die vierbeinigen und die gefiederten Geschöpfe, die ihn nach Afrika zogen. Je mehr er über die Natur las und in Filmen sah, desto intensiver wurde seine Afrikasehnsucht. Zuletzt beseelte ihn nur ein einziger Wunsch: selber hinzufahren und zu versuchen, in Afrika eine Arbeit zu finden. Er wollte das Seine tun, um diese Wunderwelt weiter zu erforschen und diese einmalig schöne Tierwelt zu schützen und zu erhalten.
„Als mein Patenonkel starb und mir ein paar Tausender hinterließ, wurde es Ernst“, berichtete Heiko. „Dann fing ich an, Naturwissenschaft zu studieren - ja, zum Glück hatte ich das Abitur gemacht. In den Semesterferien habe ich geschuftet, um Geld zu verdienen. Ich habe bei der Bundespost Pakete ausgetragen, ich habe als Kellner gearbeitet, ich war sogar eine Zeitlang Hafenarbeiter! Denn ich wußte, daß alles, was ich plante, Geld kosten würde! Meine Studien vollenden, einen Führerschein machen, Englisch lernen! Ich konnte nicht ganz einfach zu der Direktion der Nationalparks kommen und sagen: ,Ich liebe die Tiere, bitte geben Sie mir Arbeit!’ Vier Jahre lang habe ich wie ein Verrückter gearbeitet! Und ich tu es noch! Ich weiß ja, daß man hier unten viel Wissen und Können braucht. Von Zoologie bis Erste Hilfe, von Kochen bis Fotografieren, von Autofahren bis Fremdsprachen. Mit Suaheli bin ich noch nicht weit gediehen, aber ich werde es schon schaffen, glauben Sie mir! Und wenn ich mein Staatsexamen gemacht habe - und das muß ich sogar sehr gut schaffen -, dann werde ich den Mut haben, eines Tages hier aufzukreuzen und zu sagen: Bitte, verfügen Sie über mich und meine Kenntnisse! Alles, was ich habe, stelle ich in den Dienst der Tierwelt und der Erhaltung der Natur!“
„Und dann?“ fragte ich leise.
„Dann breche ich eben meine Zelte im hohen Norden ab und verschreibe mich für den Rest meines Lebens Afrika.“
„Und heiraten eine Afrikanerin“, sagte ich.
„Oder eine Afrikabesessene“, sagte Heiko. „Sie darf gern eine Weiße sein, wenn sie nur dieselben Interessen und Wünsche hat wie ich.“ Wieder legte er seine Hand
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