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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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fasziniert von dessen rechtem Ohr: das Ohrläppchen war durchbohrt und so gedehnt, daß ein riesengroßes Loch sich gebildet hatte. Dann war das ganze Ohrläppchen nach oben geführt, und der obere Teil der Ohrmuschel war durch das Ohrläppchen gesteckt. Das klingt vollkommen unbegreiflich, aber es war wirklich so.
    Zwei Tage später bekam ich noch viel mehr merkwürdige Ohrformationen - oder Deformationen - zu sehen.
    Den Höhepunkt dieses Vormittags erlebten wir weit draußen im Gelände. Wir hatten unzählige Löwen gesehen, faule, schlafende Löwen, ein paar junge spielende Löwinnen, ein altes Männchen, das sich genußreich im Gras wälzte und dann auf dem Rücken liegenblieb und seinen runden Bauch von der Sonne bestrahlen ließ. Wir hatten vier kleine Hyänenkinder gesehen — wer sagt, daß Hyänen häßlich sind? Und überhaupt, was ist schön, was ist häßlich in der Natur?
    Einmal war das hintere Radpaar unseres Wagens bis zur Achse im moorigen Erdboden steckengeblieben. Wieder kamen wir mit Stahltrosse und vereinten Kräften frei.
    Nur schade, daß kein Mensch zum Filmen da war, alle mußten mitziehen.
    Aber wie gesagt: Wir befanden uns weit weg von der Fahrstraße, mitten im offenen Gelände. Der Wildwart suchte die Gegend ganz systematisch mit dem Fernglas ab. Dann ließ er das Glas sinken, sagte etwas zu Moses und dann auch zu uns:
    „Wir machen jetzt das Dach ganz auf. Sie müssen schon aufstehen und sich festhalten. Alle Kameras parat. Hier vorne liegen ein paar Geparde. Sie sind sehr scheu, und wenn Sie den Wagen merken, werden sie hochspringen. In diesem Augenblick müssen Sie knipsen, das ist Ihre einzige Chance!“ Wir nickten und machten es, wie er sagte.
    Dann fuhr Moses so leise wie nur möglich durch das Gras. Da vorne rechts - bewegte sich da was? Ja... tatsächlich.
    Heiko hatte wieder die Kamera in der Hand und auf tele eingestellt! Da!
    Ein herrliches, großes Tier sprang auf, lief ein paar Meter, blieb stehen. Moses wagte noch ein Stückchen. Im Gras, da, wo das große Tier hochgesprungen war, lagen noch drei Stück, etwas kleiner, vielleicht waren es halbwüchsige Junge?
    Und plötzlich waren noch zwei große Tiere da - diese wunderbaren, unglaublich schnellen Tiere mit dem runden Kopf, dem schlanken, eleganten Katzenkörper, dem sehr langen Schwanz - und den langen, schlanken Hundebeinen. Und dann das Fell - dieses märchenhaft schöne, gefleckte Fell!
    Ganz so scheu, wie der Wildwart gesagt hatte, waren sie nicht. Oder vielleicht war die Neugier größer als die Angst? Jedenfalls blieb das größte der Tiere mindestens zwei Minuten ruhig stehen, nicht weiter weg, als daß man es mit dem Teleobjektiv sehr gut zu fassen bekam.
    Und ich Glückspilz, die nicht ans Fotografieren denken mußte, ich konnte diese ganze Schönheit in mich aufnehmen, konnte das Bild sozusagen in meiner Erinnerung festnageln. Noch sehe ich dieses wunderbare Geschöpf vor mir - und noch sehe ich seine Bewegungen, als es ihm schließlich doch etwas ungemütlich wurde, so daß es in langen, eleganten und schnellen Sprüngen das Weite suchte.
    Nachher waren wir doppelt glücklich und dankbar für dieses Erlebnis. Denn plötzlich war die Sonne weg, und kurz danach fielen die ersten Regentropfen.
    Es blieb uns nichts übrig, als zu den Zelten zurückzukehren.
    Auf der einen Seite war es natürlich schade - auf der anderen war ich froh. Wenn es den ganzen Nachmittag regnen würde, müßten wir in Seronera bleiben, dieser bemerkenswert stimmungsvollen kleinen Insel in der Savanne, mit den Zelten, dem offenen Feuer, den entzückenden Klippschliefern, all den freundlichen, grüngekleideten jungen Männern mit ihren lächelnden Augen und blendend weißen Zähnen.
    Hier waren weder Swimming Pool noch elegante Aufenthaltsräume. Der einzige Unterschlupf war ein halboffenes Steingebäude, wo wir Schutz beim Regen hatten, aber auch nicht mehr. „Wie eine Veranda ohne Haus dahinter“, so drückte meine Schwester es sehr treffend aus.
    Als der Regen am Nachmittag für eine Stunde aufhörte, war ich sofort bei den Klippschliefern, deren Appetit unverändert geblieben war. Als ich ihnen alles gegeben hatte, was ich an Eßbarem besaß, verloren sie recht bald das Interesse an meiner Person. Wie dumm seid ihr, dachte ich. Jetzt sollte eins von euch auf meinen Schoß springen und sich liebevoll kraulen lassen. Ihr ahnt ja nicht, wie schön wir es haben könnten! Hätten die kleinen Kobolde mich verstanden, was wäre ihre Antwort

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