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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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aber über dem Ganzen lag ein
    Dunst, ein Schleier aus Feuchtigkeit und Dampf und Rauch, aus Autoabgasen und menschlichen Ausdünstungen - der hoffnungslose Nebel einer übervölkerten Großstadt.
    Wir durften diesen Anblick etwa eine Viertelstunde genießen, dann ging es wieder abwärts.
    „Der Blick vom Piz Nair auf St. Moritz ist trotz allem schöner“, flüsterte Tante Helene.
    „Und vom Flöyfjell in Bergen in meinem bescheidenen Vaterland“, ergänzte ich.
    Aber was wir dann zu sehen bekamen, war jedenfalls nicht zu vergleichen, weder mit der Schweiz noch mit Norwegen!
    Es hieß „Tiger Balm Garden“ und war eine höchst seltsame Anlage, gebaut von zwei Brüdern, die durch den Verkauf von einer Heilsalbe etliche Millionen verdient hatten. Und diese große, bunte Anlage an einem steilen Hang muß den Verdienst von einigen Millionen Salbentöpfen gekostet haben! Treppen und Grotten, künstliche Hügel, merkwürdige, bunte Tierfiguren und Blumen -Miniaturtempel und Pagoden, und gewundene Spazierwege dazwischen. Auf einem Vorsprung an einer vergoldeten Felswand stand plötzlich eine Wasserbüffelplastik, in der Nähe war ein künstlicher Wasserfall. Alles war bestimmt mit sehr viel Liebe und vor allem mit Hilfe einer blühenden Phantasie aufgebaut, und sogar mit Ehrfurcht - darauf deutete ein goldener Buddha hin, der der phantastischen Felswand gegenübersaß und sie mit einem wohlwollenden Lächeln betrachtete.
    Es wurde geknipst, geknipst, Schmalfilme gedreht - der Verkaufsstand am Fuße des Berges machte gute Geschäfte mit Dias und Postkarten. Eine kleine, alte, verkrüppelte Bettlerin hatte sich die strategisch richtige Stelle ausgesucht, direkt am Eingang zu dem Tigergarten. Sie hielt jedem Touristen eine Blechtasse hin, und ich hatte den Eindruck, daß sie allen Grund hatte, mit ihrem Tageseinkommen zufrieden zu sein.
    Was nachher folgte, war viel interessanter. Dann ging es nämlich um lebendige Menschen und deren Wohnverhältnisse und Daseinsform.
    Es ging nämlich nach Aberdeen. Ja, es heißt wirklich so! Aber, wenn ein Badestrand auf Sylt „Abessinien“ heißt und einer an der Ostsee „Brasilien“ - warum sollte dann nicht ein Fischerort in Hongkong Aberdeen heißen?
    Ja, denn ein Fischerort war es, und so malerisch, so fremdartig, so ganz unglaublich merkwürdig! Unser dienstbeflissenes kleines Mandeläuglein erzählte, daß hier zehntausend Menschen leben, auf dem Wasser, in ihren Sampans und Dschunken. Auf denkbar kleinem Raum, nur von dem schmuddeligen Wasser umgeben, zusammengepfercht auf den Booten verbringen sie ihr ganzes Leben. Hier werden sie geboren, hier haben sie ihre Freude und ihren Kummer, hier leben und lieben sie, gründen neue Familien, und hier sterben sie.
    Aber Mandeläuglein betonte auch, daß es sich nicht um ein Elendsviertel handelte! Die Leute wären nicht unbedingt arm, man sollte sich bloß nicht von diesem eigenartigen Wohnen und Leben täuschen lassen!
    Wir gingen dann an den Kais entlang und schauten über die unwahrscheinliche Menge kleiner Fischerfahrzeuge. Da stand eine Frau und hängte Wäsche auf, dort hatte ein Mann sich im Boot zu einem Mittagsschläfchen zusammengekringelt. Da, auf einem denkbar engen Deckraum, spielten ein paar süße, schwarzhaarige Kinder, da saß eine alte Frau und löffelte - nein, was sage ich, sie „stäbte“ ihren Reis, während eine gescheckte Katze friedlich neben ihr schlief.
    Da klangen Frauenstimmen von Boot zu Boot, Männerrufe, Mädchenkichern, Babygeschrei.
    Und dort, in greifbarer Nähe, in einem Boot, das dicht am Kai lag, stand ein niedliches kleines Hündchen angekettet. Ich versuchte, ihm ein Stück Zucker zu geben - ich hatte noch meine Flugzeugzuckerwürfel in der Tasche, die muß ich für meinen Bruder Stefan immer sammeln - , aber das Hündchen wollte es nicht. Es hatte wichtigere Dinge vor: Es kratzte sich, kratzte und kratzte, bald mit dem rechten Hinterpfötchen, bald mit dem linken. Das arme Tier mußte voll Ungeziefer sein! Es war schrecklich, sowas mit anzusehen.
    „Oh, wer den kleinen Kerl bloß mitnehmen könnte!“ sagte ich.
    „Das widerliche, verflöhte Tier? Ich danke!“
    Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter mir gesprochen hatte. Ich wußte, daß es Mrs. Stone war.
    „Ja, gerade weil es so ungepflegt ist! Ich möchte es baden und ihm ein Wurmmittel geben, und es dann mit richtigem Hundefutter hochpäppeln - an sich ist ja das Tier entzückend! Sehen Sie sich bloß die

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