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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Keksrollen brachte, war der Hund weg. Ich öffnete zwei Rollen, streute die Kekse dorthin, wo der Hund sie vorhin gekriegt hatte und hoffte, daß er sie finden würde.
    Ich mußte mir die Tränen von den Augen wischen. Mr. Nicol legte tröstend den Arm um mich, und ich stammelte und erzählte mit zitternden Lippen von Frau Stone.
    „Das Wort Mitleid steht wohl nicht in ihrem Wörterbuch“, schloß
    ich.
    „Vielleicht nicht“, sagte Mr. Nicol. „Vielleicht liegt alles daran, daß niemand mit ihr Mitleid gehabt hat. Und dabei hätte man allen Grund dazu!“
    Später - viel später - tauchten diese Worte von Mr. Nicol in meinem Gedächtnis auf. Aber in diesem Augenblick war ich nur wütend, enttäuscht und unglücklich. Ich hätte so gern den armen Hund gestreichelt, und den kleinen Jungen auch.
    Mr. Nicol lotste mich über die verkehrsreiche Straße zurück ins Hotel.
    Ich ging in den Lift, mit verheultem Gesicht und einer halb zerdrückten Keksrolle unter dem Arm.

Von Asien nach Australien
    „Wenn ich zu Hause in Norwegen so einen Touristenbus voll glotzender Menschen sehe, finde ich sie einfach lächerlich“, sagte ich. „Und jetzt sehen wir genauso lächerlich aus!“
    „Ist dir das erst jetzt klargeworden?“ schmunzelte Tante Helene. „Zwanzig solche gaffende Gesichter müssen ja komisch aussehen, mit dem Gedanken müssen wir uns schon abfinden!“
    Was blieb uns sonst übrig?
    Wir hatten auch allen Grund zum Gaffen. Wir fuhren auf einer schönen Landstraße aus dem Stadtgebiet raus, an der Küste entlang und durch Dörfer mit so seltsamen Namen wie Yuen Long und Kam Tin. Mir sprangen die Augen beinahe aus dem Kopf. Denn da sah ich Frauen, die mit breiten, chinesischen Strohhüten hinter primitiven Pflügen gingen - Pflügen, die von Wasserbüffeln gezogen wurden. Es war, als befände ich mich mitten in einem Pearl-S.-Buck-Buch!
    „Sieh, Tante Helene, Wasserbüffel! Das hätte ich mir nie träumen lassen, daß ich die zu sehen bekommen würde, außer im Zoo!“
    Ich war so aufgeregt, daß ich auch andere Mitreisende auf diese Sensation aufmerksam machen mußte. Ich drehte mich um, hinter mir saßen die Schwestern Smith und auf der anderen Seite des Mittelganges Ehepaar Connor.
    „Haben Sie das gesehen - einen Pflug mit einem Wasserbüffel?“ „Ach, Wasserbüffel haben wir doch genug in Ostafrika gesehen“, sagte Frau Connor.
    Es blieb mir erspart, dieses Mißverständnis aufzuklären, das nahm die eine Schwester Smith mir ab.
    „Sie irren sich, Mrs. Connor“, sagte sie. Und man merkte ihrer Stimme die pensionierte Lehrerin an. „Was Sie in Ostafrika gesehen haben, sind Kaffernbüffel. Wasserbüffel gibt es nur in Asien.“
    „So? Nun ja, ist ja auch egal, Büffel bleibt Büffel“, sagte Mrs. Connor unberührt.
    Aber ich wagte eine Frage an Miß Smith: „Kennen Sie Ostafrika, Miß Smith?“
    „Ja, gewiß! Wir waren zweimal dort! Ein herrliches Land! Da sollten Sie mal hinfahren, Frau Brunner!“
    Ich verkniff mir ein Lächeln. Ich wollte ja nichts erzählen, wollte nicht, daß bei jemandem sich eine Gedankenkette bildete: Afrika -Brunner - wie war es nun gleich, wurde der Name nicht im
    Fernsehen erwähnt - ach, nun weiß ich es, es war ja Mrs. Brunner, die da in dem Film war, mit dem Gepard!
    Also schwieg ich.
    Und dann kam der Augenblick, wo wir auf einem Berg standen und über die Grenze blickten - rüber auf weite Reisfelder, auf ein paar Gehöfte - da hinten lagen Berge - und was lag wohl hinter den Bergen?
    Alles, was wir da sahen, gehörte zu China.
    China - etwas, was in meinem Bewußtsein so unendlich fremd und unerreichbar weit weg war. Chinesische Kunst, chinesische Weisheit, chinesische Mentalität - „das klingt chinesisch“ sagen wir, wenn wir etwas überhaupt nicht verstehen. „Du milder Chinese!“ sagen wir in Norwegen in Fällen, wo man in Deutschland „Du liebe Zeit“ oder „Heiliger Bimbam“ sagen würde.
    Nichts klang so fremd, so seltsam, so entfernt wie gerade China. China mit den vielen, vielen Millionen Menschen, mit alter Kultur und neuen Systemen, mit einer tausendjährigen Geschichte, mit Porzellan und Seide, und - bis vor wenigen Jahrzehnten - Frauen mit geschnürten, verkrüppelten Füßen, die zeigen sollten, wie fein sie waren, daß sie das Laufen nicht nötig hatten.
    Ein fernes, seltsames Land.
    Und es war chinesische Erde, die vor mir lag. Es waren chinesische Reisfelder, die kleinen weißen Häuser lagen im großen Reich der Mitte im östlichen

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