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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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entschloß sich, die grünen Blätter zu erwischen. Es faßte mit den langen, biegsamen Fingern um den Ast, hielt sich mit den gebogenen Krallen fest, zog den Körper in die Höhe, half mit den Hinterbeinen, und schon waren die grünen Blätter in Reichweite.
    Ich weiß nicht, wie lange wir da standen. Wir machten keine Bilder, das wäre zwecklos, denn bis jetzt hielt sich das Kerlchen im Schatten. Wir starrten nur, beobachteten jede Bewegung, jede Reaktion.
    Zuletzt sagte ich, ganz leise: „Wie ist es schön, Tante Helene!“
    Sie lächelte und nickte. Dann löste sie ihre Hand von meiner.
    „Wie meinst du, Sonja? Wollen wir uns für ein Weilchen losreißen und sehen, was wir an anderen australischen Spezialitäten finden können? Und dann Punkt zwölf wieder hier sein?“
    Ich war einverstanden.
    Wir hatten nur ein paar Schritte zurückgelegt als ich stehenblieb: „Oh, Tante Helene! Es sind ja Dingos! Richtige Dingos!“
    Das waren sie auch. Die hübschen, goldbraunen australischen Wildhunde, die so scheu sind, daß man sie in der freien Natur kaum zu sehen bekommt, jedenfalls nur auf ganz große Entfernung. Hier waren sie zahm und liebebedürftig. Sie kamen ganz nahe an den Drahtzaun und sahen aus, als erwarteten sie, gekrault zu werden.
    Wir haben sie diesbezüglich nicht enttäuscht!
    Wir waren bei den Baumkänguruhs - ich hätte nie geahnt, daß es so viele Arten davon gibt - bei den Kuskus, dann natürlich bei dem herrlichen Leierschwanz und den Paradiesvögeln. Da hätte man auch stundenlang stehen können, um die ganze Schönheit so richtig in sich aufzunehmen.
    Aber die Zeit verging. In einer Stunde hatten wir das Stelldichein mit dem netten Schweizer, und in fünf Stunden mit einem noch netteren Mann - mit Heiko!
    „Gott sei Dank, daß wir hierhergegangen sind, Tante Helene“, sagte ich. „Sonst hätte dieser Vormittag kein Ende genommen!“
    Sie lächelte und streichelte mir schnell die Wange.
    „Wenn du wüßtest, wie schön es ist für eine alte Frau, einen so glücklichen jungen Menschen zu sehen!“ sagte sie mit ihrer sanften, warmen Stimme.
    „Bist du denn nicht glücklich, Tante Helene?“ fragte ich.
    „Doch, Kind, das bin ich. Aber du weißt, wenn man siebenundsechzig ist, hat das Glück eine andere Form, ein anderes Gesicht. Ich bin glücklich mit meiner Arbeit, glücklich, weil ich schöne Reisen machen kann, glücklich, weil ich gute Freunde habe -vor allem junge Freunde. Junge Menschen, die offen und zutraulich zu mir sind, junge Menschen, die es mir erlauben - mir alten Tunte -an ihren Problemen, ihren Freuden und Sorgen teilzunehmen.“
    „Da hast du wohl einen Druckfehler gesprochen, Tante Helene. Es heißt Tante, nicht Tunte! Das mit Tunte will ich nicht gehört haben!“
    „O doch, das stimmt schon. Eine alte Tunte mit Schwächen und Wehwehchen und Hausarzt und mit Falten im Gesicht. Aber siehst du, ich verstehe dein Glück. Ich habe ja dasselbe erlebt, als ich jung war. Ich hatte einen wunderbaren Mann, den ich sehr geliebt habe. Als ich ihn verlor, hatte ich nur einen Trost - ich konnte seine Arbeit weiterführen, seine Ideale hochhalten. Nur eins tat bitter weh, und es tut noch in meinem hohen Alter weh: Daß wir keine Kinder bekamen. Ach, wie gern hätte ich ein paar Söhne und Töchter gehabt und eine Schar springlebendige Enkelchen!“
    „Tante Helene.“, sagte ich zögernd. „Ich kann dir keine Enkel verschaffen. Aber ich möchte dir sagen, daß ich sehr über all das nachgedacht habe, was du mir damals in Mount Hagen sagtest. Ich will ein Kind haben, Tante Helene. Ich hoffe und bete, daß ich imstande bin, Kinder zu kriegen. Ich glaube es auch. Senta und ich ähneln uns in allem, sie hat eine normale Schwangerschaft und eine normale Geburt gehabt und hat ein quietschgesundes Kind. Also, was ich sagen wollte - eine Enkelin kann ich dir nicht verschaffen, aber eine kleine Patentochter mit dem Namen Helene, das will ich dir schenken! Und sollte das erste Kind ein Sohn werden, dann bleibe ich feste beim Kinderkriegen, bis das kleine Helenchen da
    ist!“
    Tante Helene blieb stehen. Sie fischte das Taschentuch aus ihrer Handtasche.
    „Habe ich nicht gesagt, daß ich eine alte Tunte bin? Nun stehe ich wahrhaftig da und heule direkt vor den Augen eines erstaunten Baumkänguruhs!“
    „Wische die Tränen weg, Tante Helene, damit du wieder klar sehen kannst. Und sei froh, daß niemand außer mir gehört hat, daß die Leiterin der Mary-Green-Stiftung den Unterschied

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