Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Handkarre voll Gras vor sich schob, lächelte uns freundlich an.
„Kommen Sie bloß rein“, sagte er auf deutsch und machte uns das kleine Tor auf.
„Oh - Sie sind Deutscher?“
„Schweizer“, antwortete er. „Aber ich habe auch einen deutschen Kollegen hier. - Sie können ruhig die Tiere anfassen - he du, friß nicht den Damen die Kleider vom Leibe!“
Das letzte war an ein ganz junges Wallaby gerichtet. Es hatte sich hochgesetzt und wollte anscheinend wissen, wie die bunten Blumen an meinem neuen Ausverkaufskleid schmeckten.
Ich hockte mich hin und streichelte das Tier, kraulte es am Hals. Es saß mucksmäuschenstill und genoß. Als ich aufhörte, machte er genau das, was ich von Kito kannte und von Bicky in Kiel: Mit seinem kleinen Pfötchen holte er meine Hand zurück, ich sollte schön weiterkraulen!
Mit meiner freien Hand mußte ich schnell über die Augen wischen.
„Ich bin so dumm“, sagte ich mit zitternden Lippen. „Aber es ist so schön, Tante Helene - es ist so unsagbar schön - es ist auch schön, mit einem Hund oder einer Katze zu spielen - aber dies -wirkliche, echte australische Wallabies - in Australien!“
„Wem sagst du das?“ sagte Tante Helene mit einem kleinen Lächeln. „Ich empfinde ja genau dasselbe!“
Sie hatte sich auf eine niedrige Steinbank gesetzt und streichelte zwei kleine daunenweiche Wallabyjunge gleichzeitig.
Da kam der Wärter wieder und brachte - ich traute kaum meinen eigenen Augen - ein ganzes Bündel junge Wallabies! Er trug sie an den Hinterbeinen, anscheinend war dies die richtige Art, solche Zwergkänguruhs zu verfrachten. Kaum hatte er das Bündel auf die Erde gelegt, sprangen die niedlichen Geschöpfe hoch, zupften etwas von dem bereitgelegten Futter und zeigten ein lebendiges Interesse für uns.
Es war ein Glück, daß wir unsere Fotoapparate bei uns hatten, die hatten wir ja auf dem Flug nach Ayers Rock mitgehabt.
Jetzt knipsten wir um die Wette, die niedlichen Tierchen waren zu drollig, und so wunderbar zutraulich! Als eins davon die kleine Schnauze in Tante Helenes Ausschnitt steckte, gelang mir eine blitzschnelle Aufnahme, und sie revanchierte sich, als so ein kleiner Frecher sich auf die langen Hinterbeine stellte und an meinen Haaren zupfte!
Der Tierwärter sah uns lächelnd an.
„Sie haben Glück, daß keine anderen Besucher hier sind“, sagte er. „Jetzt können Sie sich ungestört mit den Kleinen beschäftigen. Kennen Sie noch keine Wallabies?“
„Oh, doch“, antwortete Tante Helene. „Man sieht sie ja ab und zu in europäischen Zoos. Aber was wir nie gesehen haben und was uns also heut bevorsteht, sind die Koalas!“
„Ach ja, natürlich! Wir haben ein recht hübsches Pärchen - “, er beschrieb uns, wie wir gehen sollten, um das Koalagehege zu finden. „Aber leider sitzen sie gewöhnlich im Schatten, sie sind schwer zu fotografieren, das heißt, falls Sie heute nachmittag noch hier sind.“ „Wir können bis drei Uhr bleiben“, erklärte ich.
„Ach, wissen Sie was, es wäre ja schade, wenn Sie die Viecher nicht richtig sehen und knipsen können. Ich habe um zwölf Mittagspause, wenn Sie dann bei den Koalas sein können, dann komme ich hin und bringe etwas Futter, da können wir sie vielleicht an die Sonne locken, vielleicht können Sie sie sogar streicheln!“
„Oh, wenn Sie wüßten, welche Freude Sie uns damit tun! Wissen Sie, wir sind ja beide solche Tiernarren, und wir sind von England hierhergeflogen, um diese kleinen Strolche zu sehen!“
„Donnerwetter!“ lächelte der Wärter. „Dann muß man ja etwas für Sie tun!“
Jetzt wurde es lebhaft. Eine ganze Schulklasse erschien auf dem Wege und hatte ganz deutlich den Kinderzoo zum Ziel.
Wir verdrückten uns und wanderten nach Plan, Schildern und den
Erklärungen des Wärters. Und siehe da:
Wir blieben stehen. Vor uns lag ein halbkreisförmiges Gehege, hinter einer weißgetünchten, niedrigen Mauer. Mitten im Gehege war ein Baumstamm mit etlichen dicken Ästen - und da, in einer Gabelung saß ein kleines, molliges graues Tier, ein weicher Knäuel, ein Bund Wärme und Weichheit und Ruhe.
Ich ergriff Tante Helenes Hand. Dann standen wir da, wir beide allein, ohne zu sprechen. Standen hier, vor dem ersehnten Ziel unserer weiten Reise.
Das Bündelchen drehte langsam den Kopf, jetzt sahen wir seine buschigen Ohren und die ulkige, lackschwarze Nase. Es blinzelte ein wenig, dann sah es sich bedächtig um, entdeckte einen Eukalyptuszweig etwas höher und
Weitere Kostenlose Bücher