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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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unheimlich intelligent aus, und wenn sie - ganz selten - etwas sagt, dann hat es Hand und Fuß!
    Sie ist übrigens die Älteste von uns, schon einundzwanzig. Es ist mir unbegreiflich, daß sie mit ihrem klaren Kopf noch nicht weiter in der Ausbildung ist. Vielleicht ist sie krank gewesen und hat ein Jahr verloren.
    Sie ist mir vorläufig ein Rätsel.
    Ich muß aufhören! Gleich werden wir zum Abendbrot runtergegongt. Es gibt Brot und Knäckebrot und eine sehr gute Margarine (Butter nur sonnabends und sonntags), Wurst und Käse, und dazu trinken wir Hagebuttentee. Schmeckt übrigens gut! Es hat einen bestimmten Grund, daß wir ausgerechnet Hagebutten bekommen. Frau von Waldenburg hat uns erklärt, daß Hagebutten die einzige Vitamin-C-Quelle sind, die das Vitamin auch beim Trocknen, Pulverisieren und Aufbrühen behalten. Wie Ihr versteht, ist sie wirklich auf unser Wohl bedacht. „Junge Menschen brauchen Vitamin C“, sagt sie und gießt uns unsere Teetassen voll, und die sind so groß wie Babytöpfchen!
    Nun grüßt innigst bei Beate und wem Ihr sonst schreibt. Ich kann nicht der ganzen Familie schreiben, denkt daran, daß ein Auslandsbrief siebzig Pfennig kostet! Beinahe anderthalb Kronen!
    Übrigens schaffe ich es gerade mit dem Geld. Ich mache es so, wie Du es mir vorgeschlagen hast, Vati: Ich versuche, jede Woche etwas für unvorhergesehene Ausgaben zurückzulegen. Die erste unvorhergesehene wird bestimmt eine Schuhreparatur sein. Wir haben zehn Minuten zum Bus, und zwar auf einem ungepflasterten Weg. Es gongt! Und ich habe Hunger! Es umarmt und küßt Euch Eure Heidi“

Die Weiße Brücke
    Ich stand an der Bushaltestelle und sah meinen Bus verschwinden.
    Verflixt! Nun hatte ich zu lange getrödelt, oder war meine Uhr stehengeblieben? Ausnahmsweise hatte ich nachmittags in der Stadt zu tun gehabt, und jetzt stand ich da und mußte auf den nächsten Bus warten.
    Aber halt! Ich konnte den anderen Bus noch schaffen! Der fuhr allerdings am anderen Flußufer entlang, aber von der Haltestelle führte ein kleiner Pfad runter zu einer Fußgängerbrücke und von deren anderen Seite wieder ein schmaler Weg durch das Wäldchen, dann würde ich schnell zu Hause sein!
    Gedacht, getan. Der Bus kam und ich sprang rein. Ich kannte den Weg, Frau von Waldenburg hatte mir den Tip gegeben, als ich eines Morgens verschlafen hatte und unseren gewöhnlichen Bus verpaßte. Allerdings hatte sie hinzugefügt: „Jetzt, morgens, können Sie da rüberlaufen, aber nachmittags soll man diese Brücke meiden. Da sammelt sich jeden Tag eine Bande Halbstarker mit ihren Bierflaschen und Schnapsbuddeln, sie machen Krach und Unfug und belästigen unschuldige Fußgänger!“
    Ach wo, ich würde wohl mit den Kerlen fertig werden, ich wollte ja nur schnell über die Brücke laufen, außerdem war es noch nicht so spät! Schade, daß diese Bande sich gerade die Stelle ausgesucht hatte. Eigentlich war der kleine Fußweg so hübsch! Morgens traf man viele Hundebesitzer da, sie ließen ihre Hunde frei laufen, dazu gab es sonst nicht allzuviel Gelegenheit. Sie rannten glücklich rum, spielten und kläfften und liefen in das seichte Uferwasser, kurz, sie genossen die Freiheit und benahmen sich wie fröhliche Hunde. Frau von Waldenburg ging beinahe täglich mit Bicky dorthin, wenn sie uns drei losgeworden war. „Einen Augenblick Geduld, Bicky, gleich gehen wir zur Weißen Brücke“, sagte sie oft, wenn Bicky schon beim Frühstück ungeduldig wurde.
    Es war schon ziemlich dunkel, als ich aus dem Bus stieg. So, nun ganz schnell laufen!
    Da sah ich schon die Weiße Brücke, und in dem Augenblick, wo ich sie erreicht hatte, erklang vom anderen Ufer ein Knall, als ob etwas kaputtgeschlagen wurde, und gleich darauf ein kreischendes Gelächter.
    So, da hatten wir den Salat!
    Nur schnell, dachte ich. Schließlich konnten sie mir ja nicht die Brücke versperren!
    Aber genau das war es, was sie taten.
    Als ich auf der Mitte der Brücke war, flog etwas durch die Luft. Unwillkürlich lief ich zur Seite und hielt den Arm vors Gesicht. Der Gegenstand flog dicht an meinem Kopf vorbei und landete mit einem Knall einen halben Meter vor meinen Füßen. Braune Glassplitter sausten über die Brücke und um mich herum.
    Es war eine leere Bierflasche.
    Jetzt war ich wütend. Wenn man wütend ist, soll man bis zehn zählen, bevor man etwas sagt, aber ich zählte nicht einmal bis zwei!
    „Könnt ihr euch nicht eure leeren Flaschen gegenseitig an den Kopf schmeißen?“ rief ich.

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