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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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die Stunde bezahlt, sind Sie auch damit einverstanden?“
    „Ja, selbstverständlich. Ganz besonders, wenn Sie es wagen, mich zu beschäftigen, obwohl ich keine Empfehlungen habe.“ Die Ärztin lächelte.
    „Ich verlasse mich eben auf meinen Instinkt, außerdem bilde ich mir ein, daß ich ein bißchen Menschenkenntnis habe. Also, heute ist Montag - könnten Sie schon heute nachmittag anfangen? Kurz nach sechzehn Uhr?“
    „Das kann ich!“
    „Dann segne ich Ihre Urticaria“, lächelte die Ärztin.
    „Meine was?“
    „Urticaria. Nesselsucht. Ihre Ausschläge.! Ach ja, richtig, Ihre Tabletten. mal sehen, vielleicht habe ich. ja, das dachte ich doch, diese können Sie mitnehmen, nein, sie kosten nichts, es ist ein Ärztemuster. und hier haben Sie eine juckreizstillende Salbe.“ „Tausend Dank, Frau Doktor. und den Krankenschein bringe ich dann heute nachmittag oder spätestens Mittwoch.“
    „Ich muß Ihnen übrigens ein Kompliment für Ihre Deutschkenntnisse machen“, sagte Doktor Schönhagen. „Wie kommen Sie bloß dazu?“
    „Oh, ich habe seit anderthalb Jahren ganz fleißig gelernt und auf deutsch korrespondiert - außerdem gibt mein Vater Unterricht in Deutsch -, und vielleicht liegen mir die Fremdsprachen. Übrigens. ein Wort hat mir vorhin gefehlt. Wie heißt in gebildeter Sprache der Körperteil, in den ich soeben die Spritze bekommen habe?“
    Die Ärztin lachte laut.
    „Es heißt Gesäß! Aber kein Mensch nimmt es Ihnen übel, wenn Sie Popo sagen!“
    So verließ ich freudestrahlend die Praxis. um eine einbringende Anstellung und ein wichtiges deutsches Wort reicher!
    Schon auf der Treppe fing ich an zu rechnen. Sechs Mark die Stunde. zwei Stunden zwölf Mark, dreimal in der Woche, sechsunddreißig Mark. vier Wochen. du liebe Zeit, viermal sechsunddreißig. einhundertvierundvierzig Mark!
    Die dreißig Mark, die ich von Frau von Waldenburg zurückbekommen hatte, lagen noch in meinem Portemonnaie. Ich konnte mir eine kleine Leichtsinnigkeit leisten.
    Ich ging schnurstracks ins nächste Warenhaus und kaufte für 10,20 Mark einen entzückenden Brotteller aus Korbgeflecht. Ich ließ ihn gleich versandfertig verpacken, und dann ging ich zur Post. Mit großen, deutlichen Druckbuchstaben schrieb ich „Herrn Rektor Jens Hettring und Frau, Tjeldsund, Norwegen“ - ließ mir einen
    Anklebezettel mit einem Weihnachtsmann und „Nicht vor Weihnachten öffnen“ geben - und zahlte 1,80 Mark als Päckchenporto.
    Haargenau zwölf Mark. Mein erstes selbstverdientes Geld für zwei Stunden Saubermachen. Allerdings hatte ich es von den dreißig Mark „geborgt“ - aber ich würde es heute nachmittag zusammen mit den übriggebliebenen achtzehn Mark in die kleine Blechschachtel legen, wo ich immer das Geld „für unvorhergesehene Ausgaben“ aufbewahrte!
    Ich guckte auf die Uhr. Jetzt hatte es wenig Sinn, zur Uni zu gehen. Ach was, ich hatte nie einen Tag geschwänzt, diesmal würde ich es mir erlauben! Ich war so froh und so aufgekratzt, daß ich mich doch nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte. Lieber wollte ich nach Hause fahren, ein paar Weihnachtsbriefe schreiben und meinen Schreibtisch aufräumen, es tat bitter nötig. Also los zur nächsten Bushaltestelle.
    Aber es war nicht der Bus, der zwei Minuten später neben mir hielt. Es war ein großes, elegantes, blitzeblankes Privatauto, dessen Tür schnell aufgemacht wurde.
    „Heidi! Steigen Sie schnell ein, ich darf nicht hier halten!“ Zwei Sekunden später saß ich im Wagen - neben Bernhard.
    „Das war vielleicht ein Glück!“ lächelte er. „Ich habe Sie heute früh vermißt! Und Hasso hat nach Ihnen gefragt! Sind Sie uns untreu geworden?“
    „Nein, gar nicht, ich mußte zur Ärztin!“
    „Nanu, was ist denn mit Ihnen los? Hoffentlich nichts Schlimmes? Wenn ich also fragen darf?“
    „Das dürfen Sie. Ich habe Käse gegessen, das ist alles!“
    „Und davon werden Sie krank?“
    „Ja, von dieser einen Käsesorte. Ich habe - oh, wie nannte sie es bloß. Urt. Urt.“
    „Urticaria! Vielen Dank, das kenne ich! Dann haben Sie eine Kalkspritze bekommen! Trösten Sie sich, das geht schnell vorüber.“
    „Ja, es geht schon besser! Sagen Sie, wo fahren Sie eigentlich hin?“
    „Das weiß ich noch nicht, es kommt auf Sie an. Vorläufig aus dem Stadtverkehr raus. Wissen Sie, ich habe auch eine solche Urticariageschichte gehabt, ich war kurz vor dem Wahnsinnigwerden. Ich befand mich zufällig ein paar hundert Kilometer vom nächsten Arzt und litt zwei

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