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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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immer klauen, Xenia, aber das war doch kein Diebstahl. Solche Sachen sind doch für Bedürftige gedacht!“
    „Damit habe ich auch mein Gewissen beruhigt!“
    „Gewissen“, wiederholte ich langsam. „Weißt du, es ist mir ein Rätsel, daß du noch ein Gewissen hast, nach allem, was du durchgemacht hast. Ich fürchte, ich hätte an deiner Stelle geklaut, wo ich nur könnte, aus lauter Selbsterhaltungstrieb!“
    „Vielleicht war der Drang, den Selbstrespekt zu erhalten, bei mir größer als der Selbsterhaltungstrieb“, sagte Xenia. „Ich wußte ja, daß diese schrecklichen Monate vorübergehen würden, daß ich einmal in geordnete Verhältnisse kommen würde, und dann wollte ich nichts zu bereuen haben!“
    Es entstand eine kleine Pause.
    „Xenia, ob du eine Ahnung hast, wieviel ich seit gestern abend von dir gelernt habe?“
    „Nun hör aber auf!“
    „Das kann ich gern, aber du sollst es mir glauben. Was machen wir heute, Xenia?“
    „Lernen! Lesen! Mußt du das nicht auch? Etwas von dem nachholen, was du bei deinem Praxissaubermachen vernachlässigt hast?“
    „Du hast recht, unbedingt. Aber was mich betrifft, mache ich etwas, was noch wichtiger ist. Ich will meinen Eltern schreiben und alles beichten! Und. ich darf doch erzählen, daß du genau dasselbe getan hast wie ich? Und daß wir es unbeschreiblich schön zusammen haben. und daß wir schrecklich gute Freunde sind?“
    „Ja“, sagte Xenia. „Das darfst du erzählen.“
    Ich saß tief in meinem Brief vergraben, als Xenia - ohne anzuklopfen! - mein Zimmer betrat.
    „Bitte sehr. Zwei Briefe für dich.“
    „Du liebe Zeit, die müssen gestern gekommen sein, aber sag bloß, wie du sie aus dem Briefkasten gekriegt hast, wir haben ja keinen Schlüssel!“
    „Man kann Unglaubliches mit einer Küchenschere und einem Schaschlikspieß schaffen“, lächelte Xenia. „Jetzt habe ich etwas zusammengeknülltes Papier reingesteckt, so daß die nächsten Briefe nicht ganz tief in den Kasten plumpsen!“
    Die Briefe waren von den Eltern und von Sonja. Letzterer mit einem beigefügten Bild von den Zwillingen. Sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Ob die Eltern sie auseinanderhalten konnten? Ich mußte an Hans Jörgens Kommentar denken, als das Telegramm damals im Herbst kam: „So, jetzt haben wir dasselbe Theater noch einmal!“
    Sie waren übrigens zum Fressen süß. Natürlich mußte ich sofort Xenia das Bild zeigen. Klar, daß sie hingerissen war, sie mit ihrer großen Kinderliebe!
    Nach den gewöhnlichen Weihnachtswünschen schrieb Sonja: „Ich habe übrigens etwas Besonderes auf dem Herzen. Liebes Täntchen, hast Du zufällig vor, in den Semesterferien einen Job anzunehmen? In dem Fall, sage es mir bitte. Ich wüßte etwas für Dich! Nimm jedenfalls keine Arbeit an, bis Du nicht mir geschrieben hast. Versprichst Du mir das?“
    Das konnte ich mit gutem Gewissen versprechen. Ich schrieb sofort ein paar Worte, da ich nun sowieso diesen Vormittag dem Briefeschreiben gewidmet hatte.
    Aber ob ich einen Job annehmen würde, das wußte ich noch nicht. Ich wollte zuerst mit Bernhard sprechen. Wenn er nun irgendeine großartige Idee hätte. ob es sich so machen ließe, daß wir die Ferien zusammen verbrächten?
    Ich machte das kleine Radio an, und ich blieb sitzen und starrte gedankenvoll auf nichts. Ich freute mich so schrecklich auf Bernhards Rückkehr! Ich freute mich darauf, ihm alles beichten zu können, und auf unsere Morgenwanderungen und auf Ausflüge in seinem schönen Wagen. Oh, ich hatte soviel, worauf ich mich freuen konnte!
    Es war mir eine Riesenerleichterung, den dicken Brief an die Eltern einzustecken. Übermorgen würden sie ihn haben, und ich konnte wieder ein gutes Gewissen haben und brauchte nicht mehr zu lügen.
    Daß ich gerade die drei Menschen, die mir am liebsten waren, so furchtbar belogen hatte!
    Aber ich hatte ja keine Wahl gehabt!
    In einem Punkt waren Xenia und ich uns einig: Wir wollten gleich bei Frau von Waldenburgs Heimkehr alles beichten!
    „Eigentlich hatte ich es nicht vorgehabt“, gestand mir Xenia. „Aber jetzt, wo wir beide sozusagen die Verantwortung teilen. glaubst du, daß sie uns böse ist?“
    „Bestimmt nicht! Aber sag mal, wieviel weiß Frau von Waldenburg über dich?“
    „Nicht sehr viel. Wahrscheinlich das, was ich Jessica erzählt habe. Daß ich unehelich geboren bin und eine etwas, na sagen wir, lieblose Kindheit gehabt und es finanziell sehr schwer habe.“
    „Ich meine, daß sie beide glauben

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