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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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irgendwohin.“
    Ich überlegte schnell. Heute war Freitag, mein letzter Tag als Praxisputzfrau.
    „Fein, aber ich kann erst gegen achtzehn Uhr. Ich muß unbedingt in die Stadt. o ja, das erzähle ich alles später. Kannst du mich da an der Bushaltestelle abholen, wo du mich damals aufgelesen hast, an dem denkwürdigen Tag, weißt du.“
    „Ach da! Jawohl, das heißt direkt gegenüber, da ist eine Tankstelle. Ich kann mich ja nicht da hinstellen, wo Halteverbot ist!“ „Fein, Bernhard! Ich freue mich schrecklich! Grüß Hasso!“ Noch einen schnellen Kuß, und weg war Bernhard. Ich setzte meinen Weg fort und lächelte glücklich vor mich hin.
    Ich kam Punkt achtzehn Uhr zur Tankstelle, und da war Bernhard schon. Aber was war mit ihm geschehen? Kein Lächeln, keine lieben Worte, kein Scherz, kein schnelles Küßchen!
    „Was hast du?“ fragte ich. „Du siehst ja direkt gefährlich aus! Wo fährst du hin?“
    „Irgendwo, wo ich mit dir sprechen kann. Das geht nicht hier im Stadtverkehr.“
    Er fuhr wortlos weiter. Als wir aus dem Stadtverkehr raus waren, fuhr er zur Seite, hielt und stellte den Motor ab.
    „Heidi, als ich gerade losfuhr, stand Frau Koss da und wollte mit dem Bus weiter, da habe ich sie mitgenommen.“
    „Frau Koss? Keine Ahnung. Wer ist das?“
    „Das weißt du sehr gut. Wir treffen sie ja immer morgens.“ „Ach die! Die mit dem Terrier! Ja, und?“
    „Sie erzählte mir, daß sie dich neulich getroffen hatte, zwischen Weihnachten und Neujahr.“
    Das stimmte. Ich hatte die Terrierdame getroffen, als ich nachmittags zum Bus lief, und wir hatten ein paar Worte gewechselt. Dann fiel bei mir der Groschen.
    „Ach, du heiliger Strohsack! Dann ist sie mir also zuvorgekommen! Gerade wo ich alles beichten wollte!“
    „Was wolltest du beichten?“
    „Daß ich gar nicht in Norwegen war! Daß ich die ganze Zeit hiergewesen bin!“
    „Und daß du mich nach Strich und Faden belogen hast.“
    „Ja, das habe ich, und nicht nur dich. Auch Frau von Waldenburg und meine Eltern! Denen habe ich geschrieben und alles gebeichtet, Frau von Waldenburg hat mir auch verziehen, und jetzt hatte ich ja die Hoffnung, daß du es auch tun würdest!“
    „Warum in aller Welt bist du nicht gefahren? Warum hast du so haushoch gelogen?“
    „Sag mal, Bernhard“, sagte ich und sah ihm ins Gesicht. „Ist es dir nicht eingefallen, daß ich einen zwingenden Grund haben mußte, wenn ich gelogen habe? Du siehst aus wie eine Gewitterwolke. Möchtest du nicht zuerst den ganzen Zusammenhang hören, bevor du böse wirst?“
    „Hoffentlich sagst du diesmal die Wahrheit!“
    „Und ob ich das tu! Also, um es kurz zu machen: Meine Eltern hatten gar nicht damit gerechnet, daß ich Weihnachten nach Hause kommen sollte, und Frau von Waldenburg ging davon aus, daß wir alle drei nach Hause führen. Ja, was sollte ich dann tun?“
    „Nach Hause fahren, natürlich!“
    „Wenn ich kein Geld hatte? Sollte ich nach Norwegen
    schwimmen?“
    Bernhard sah mich entsetzt an. „Kein Geld! Willst du behaupten, daß du die paar hundert Mark nicht aufbringen konntest? Oder daß deine Eltern es abgelehnt haben.“
    „Meine Eltern haben gar nichts abgelehnt, weil sie nichts davon wußten! Aber ich wollte nicht um das Geld bitten! Du ahnst wohl nicht, was es bedeutet, jeden Groschen umdrehen zu müssen! Das Wort Geldknappheit ist wohl für dich ein Fremdwort? Für mich nicht, das kann ich dir sagen! Deswegen log ich, und ich war glücklich, weil ich den Schlüssel zu Frau von Waldenburgs Hintertür besaß. So hatte ich ja eine Bleibe für Weihnachten. Und wenn du alles wissen willst, kann ich dir sagen, daß ich seit einiger Zeit dreimal in der Woche als Putzfrau gearbeitet habe - ich komme jetzt gerade von der Arbeit -, damit ich das Geld fürs Essen über Weihnachten hatte. So, wolltest du mehr wissen?“
    „Ja“, sagte Bernhard. „Das möchte ich allerdings. Warum in aller Welt hast du mir das Ganze verschwiegen? Mich brauchtest du doch nicht zu belügen!“
    „Doch! Gerade dich! Ich wollte doch kein Mitleid haben! Und ich wollte dir deine Weihnachtsfreude nicht zerstören! Es wäre nicht schön für dich gewesen, wenn du wüßtest, daß ich den Heiligen Abend mutterseelenallein in meiner Bude verbrachte.“
    „Das klingt aber verdammt edel. Es wäre ganz einfach gewesen, wenn du so viel Vertrauen zu mir gehabt hättest, daß du mir die Wahrheit gesagt hättest. Dann hätte ich dir selbstverständlich die Reise zu Weihnachten

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