Rywig 10 - Machst Du mit Senta
froh, daß ich bei ihr im Zimmer war. Sie brauchte jemanden, der sie verstand und sie lieb hatte.
„Sonnie“, sagte ich, „nun mal abschalten. Du. Gerry Skogstad!“ Dann lächelte sie und antwortete: „Gute Stiefel!“
„Grüne Seife!“ - „Gräfliches Schloß!“
„Gründliches Saubermachen!“ Und so ging es eine Weile weiter. Es war ein Spiel, das ich als Kind erfunden hatte. Wenn wir zum Beispiel stundenlang mit der Eisenbahn fuhren, oder wenn wir mit Masern oder Röteln im Bett lagen, wenn wir abends aus irgendeinem Grund nicht schlafen konnten, dann sagte eine von uns irgendeinen Namen, und es ging darum, aus den Initialen vernünftige Begriffe zu bilden. Bis jetzt hatte dieses kindliche Spiel sich öfter als ein gutes Schlafmittel gezeigt.
„Giftige Skorpione!“
„Gräßlicher Störenfried!“ Sonjas Stimme wurde matter, müder. Unser Mittel half!
„Geniale Schwiegermutter“, sagte ich.
„Goldige Schwester“, murmelte Sonja. Kurz danach schlief sie.
Als ich aufwachte, sah ich Sonja wie ein Schattenbild am Fenster stehen. Sie stand regungslos und starrte auf die See. Ich stand auf und ging hin zu ihr. „Die Sonne ist noch nicht zu sehen“, sagte ich. „Und warum guckst du aufs Wasser? Er kommt doch nicht mit dem
Schiff!“
„Nein, aber vielleicht mit einem Wasserflugzeug“, sagte Sonja. Es fiel mir ein, daß man hier weitgehend Wasserflugzeuge benutzt. Jede entlegene Gegend hat nicht einen ,Air strip’ wie in Afrika, aber Gewässer gibt es überall. Heiko hatte auch so was erzählt.
Der Himmel hatte jetzt einen schwachen rosaroten Schimmer. Im Hafen war alles still, kein Mensch war zu sehen. Ja, doch, da kam ein Mann, der zielbewußt zu der kleinen Bucht ging, wo ein paar Motorboote und Ruderboote lagen. Er machte sich an einem Motorboot zu schaffen, entfernte die schützende Segeltuchplane, legte sie säuberlich zusammen und ließ dann den Motor an. Lautes Geknatter füllte die morgenstille Luft. Dann verstummte es. Der Mann setzte sich im Boot zurecht, stopfte und zündete seine kurze Pfeife an, guckte hin und wieder aufs Meer. Dabei hielt er die Hand wie ein Sonnenschutz über die Augen. Denn jetzt erschien ein goldroter Bogen am Horizont.
„Jetzt geht die Sonne auf“, sagte Sonja leise. Sie streckte die Hand aus, holte sich ihre lange Hose und einen Pullover, zog sich an, ohne die Augen vom Hafen zu wenden.
„Na ja, ich werde denn auch.“ fing ich an, und klaubte meine Kleidungsstücke zusammen.
„Ssss. horch. da ist doch. ja, jetzt sehe ich es. guck, Senta, ein Flugzeug.“
Der Mann im Motorboot ließ wieder seine Knattermaschine an und löste die Vertauung. Langsam bewegte sich das Boot heraus aus der Bucht, als wolle der Mann dem Flugzeug entgegenfahren. Das Flugzeug beschrieb einen Bogen.
„Es wird landen“, sagte Sonja. „Es dreht gerade gegen den Wind. Ja, jetzt setzt es gleich zur Landung an.“
Es ging tiefer, immer tiefer, jetzt hatte es beinahe die Wasserfläche erreicht. Dann erhob sich ein Riesenspritzer, alles verschwand im weißen Schaum. Dann sahen wir wieder das kleine Flugzeug. Die eine Tragfläche ragte hoch, die andere lag im Wasser.
Eine miserable Landung war es.
Das Motorboot näherte sich mit Vollgas. Jetzt kam ein Mann aus dem Flugzeug, sprang ins Wasser, kletterte auf die Kufe, die schräg aus dem Wasser ragte, zwang mit seinem Körpergewicht die leichte kleine Maschine in eine einigermaßen waagerechte Lage.
Da fiel ein Sonnenstrahl auf den Mann, und wir konnten deutlich erkennen, daß er einen roten Pulli trug. „Senta, es ist Heiko!“ Sonjas
Stimme war heiser.
Ja, es war Heiko. Der Pulli war leicht zu erkennen, jetzt fiel die Sonne auch auf seine dunklen Haare.
Sonja machte kehrt und rannte aus dem Zimmer. Eine Minute später sah ich sie im Laufschritt zur Anlegestelle spurten.
Jetzt war das Motorboot am Ziel. Was Heiko und der Motorbootführer machten, konnte ich nicht genau erkennen. Aber ich sah jedenfalls, daß Heiko zurück in die Kabine kletterte. Dann kam er wieder zum Vorschein. Er half einem zweiten Mann, einem Mann mit einem Arm in einem dicken Verband. Vorsichtig wurde er ins Motorboot verfrachtet.
Heiko verschwand zum zweitenmal in der Kabine des noch ziemlich schräg liegenden Flugzeuges. Dann atmete ich auf. Denn jetzt hatte der Motorbootfahrer das kleine Flugzeug im Schlepptau und steuerte der Anlegestelle zu.
Dann konnte ich nicht mehr ruhig bleiben. Ich machte es wie Sonja, rannte aus dem Haus und kam zur
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