Rywig 10 - Machst Du mit Senta
sehen!“ sagte Isabel, und ihre Augen leuchteten. „Ja, wenn du jetzt bitte verschwindest, solange du hier bist, habe ich ja keinen Platz zum Aufstehen! Und Senta - tausend Dank, daß ich dich duzen darf!“ Einen besseren Anfang des Tages hätte ich mir nicht wünschen können! Ich war so guter Laune, daß ich sogar dem Meckerer Balberg mit einem fröhlichen Lächeln guten Morgen wünschte.
Das Frühstück in dem hellen, sauberen Speisewagen schmeckte himmlisch. Frühstück können die Kanadier machen, soviel war mir klar. Aber von dem Mittag- und Abendessen spreche ich lieber nicht. Und von dem Kaffee erst recht nicht! Aber da machten wir es, wie Heiko es uns beigebracht hatte: Wir brachten alle unsere Gläschen Pulverkaffee mit, und vermischten das Pulver mit der Flüssigkeit, welche die Kanadier Kaffee nennen.
Nachher bekamen wir Plätze in einem schönen, frisch gelüfteten ,Touristenwagen’ mit bequemen Sitzen und allem Komfort. Wir hatten es gut, wir hatten es direkt wunderbar!
Und da draußen flog die schöne Landschaft vorbei, die Wälder, die Berge, die Seen. Eigentlich viel zu schnell!
Ab und zu machten Sonja und ich eine kleine Runde, um zu sehen, daß es überall gut ging, um Fragen zu beantworten und uns nach etwaigen Wünschen zu erkundigen.
„Nun?“ fragte ich nach einer solchen Runde. „Gab es was?“ „Sicher! Frau Franzen fragte, ob ich das Rezept von hot cakes kenne. Ich mußte verneinen.“
„Aber ich kenne es. Ich habe es mir von einem netten Mädchen in Banff geben lassen!“
„Fein! Schreib es ab! Ja, und dann brauchten die Damen Hacker und Moorstedt dringend eine Schleichkatze mit sieben Buchstaben.“ „Genette“, schlug ich vor, stolz auf mein Wissen.
„Das haben sie auch selbst versucht, aber das paßte nicht. Ich habe ihnen mit Linsang aushelfen können, dann waren sie zufrieden!“ „Weißt du, was?“ sagte ich nachdenklich. „Ich wußte wirklich nicht, wie vielseitig die Aufgaben einer Reisehosteß sind!“
„Ich auch nicht“, antwortete meine Schwester und gähnte herzhaft. „Nun störe mich nicht, ich will mir eine halbe Stunde Schlaf genehmigen!“ Was sie dann tat.
Es wurde ziemlich spät, bis wir endlich in Prince Rupert ankamen. Das wenige, was wir vom Bus aus von der Stadt sehen konnten, wirkte ziemlich trostlos. Unser Hotel ebenso. Aber Jochen Weiden versicherte, es sei das beste in der Stadt. Es lag direkt am Hafen. Sehr praktisch für uns, da wir doch am folgenden Tag in aller Herrgottsfrühe an Bord gehen sollten.
Sonja guckte rechts und links. Nein, kein Heiko war zu sehen. Sie hatte bestimmt die Hoffnung gehabt, daß er vor der Gruppe da sein würde.
Ich kenne meine Schwester, und ich las ihre Unruhe aus ihrem Gesicht. Kein Wunder, bei dem risikoreichen Leben, das Heiko führte! Andauernd mit den verschiedensten Flugzeugen unterwegs, oder mit Autos in einsamen Gegenden, auf schlechten Straßen - er hatte ja auch vor ein paar Jahren in Australien einen Unfall gehabt, der ihn um Haaresbreite das Leben gekostet hätte.
„Wenn wir zusammen sind, habe ich keine Angst“, hatte Sonja mir einmal anvertraut. „Aber wenn Heiko allein unterwegs ist, empfinde ich es immer wie ein Geschenk Gottes, wenn er heil zurückkommt.“
Sie mußte sich gewaltig zusammennehmen, um mit Herrn Weiden das Notwendigste zu erledigen: Zimmer verteilen, die Schlüsselausgabe, Bescheid sagen wegen des Essens und so weiter.
Ich stand neben ihr, als der Empfangschef sagte: „Ach ja, die Tel-lus-Gruppe! Da ist doch ein Telegramm - an eine Mrs. Brunner.“ Sonja öffnete es mit zitternden Händen. Ich las über ihre Schulter: „Unavoidable delay stop arrival at sunrise stop love heiko.“ Soviel Englisch verstand ich: „Unvermeidbare Verspätung, Ankunft bei Sonnenaufgang, in Liebe Heiko.“
Als die Gruppe sich in die Zimmer verteilt hatte, und Herr Weiden sich um das Verteilen der Koffer kümmerte, gingen Rolf und ich mit Sonja in ihr Zimmer.
„Daß man eine Verspätung haben kann, verstehe ich“, sagte Sonja. „Aber warum telegrafiert er ,Ankunft bei Sonnenaufgang’? Warum nicht eine Uhrzeit? Ich kann mir nur eins denken, er wird von seinem Biberexperten da oben per Sportflugzeug direkt hergebracht und sie wollen nicht bei Dunkelheit fliegen. Das ist auch eine tolle Entfernung für eine solch kleine Mücke.“
Sie holte die Kanada-Karte aus der Reisetasche und studierte sie mit gerunzelter Stirn. Sonja kennt sich aus mit kleinen Sportmaschinen und deren
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