Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
gut! Unsere Beatemutti ist vierzig und sieht aus wie eine Fünfundzwanzigjährige“, erzählte Bernt. „Als ich vierzehn war, kam sie als Haushälterin zu uns - ja, meine Mutter starb schon als ich neun war - , und sie brachte Ordnung in unser Haus und viel mehr als das: Sie brachte Sonnenschein und Fröhlichkeit mit.“
„Und als ich dann als Haustochter ins Haus Rywig kam, hat sie sich wie eine Mutter um mich gekümmert“, unterbrach Katrin. „Ich habe nämlich auch sehr früh meine Mutter verloren und wuchs so ziemlich wild auf. Bei Beatemutti lernte ich alles, und vor allem, glaube ich, lernte ich, fröhlich zu sein. Und zu helfen, wie du also meinst, daß wir es tun. Weißt du, Beatemutti drückt es so einfach aus. Wenn es darum geht, was Gutes zu tun, Hilfe zu leisten und so was, dann fragt sie nicht: ,Warum sollte ich das tun?’ sondern: ,Warum sollte ich es nicht tun? Gibt es einen einzigen Grund dafür, daß ich nicht helfen sollte?’ Siehst du, das Prinzip hat sie uns beigebracht. Unter vielem, vielem anderen.“
„Also, ihr habt gedacht, als ich hilflos dastand neben der armen angefahrenen Frau Felsdorf: ,Warum sollten wir dem jungen Mädchen nicht helfen?’“
Bernt lachte.
„Wir haben gar nicht gedacht, Allegra. Das war doch so selbstverständlich! “
An diesem Abend ging ich in einem netten kleinen Fremdenzimmer bei Bernt und Katrin zu Bett - in einem Schlafanzug von Katrin. Ich hatte Waschlappen, Seife, Handtücher und sogar eine funkelnagelneue Zahnbürste ausgehändigt bekommen. Ich hatte im Hotel Havblikk angerufen und mitgeteilt, daß ich bis morgen wegbliebe.
Ich stand am Fenster und guckte raus in die helle nordische Sommernacht. Da, auf der anderen Seite des Gartenzaunes lag ein kleines weißes Holzhaus, das über und über mit Kletterrosen bedeckt war. Das war Katrins Elternhaus. Nach dem Tod der Eltern gehörte das Haus ihren Halbgeschwistern, es war eine Erbschaft von deren Mutter. Aber sie hatten Katrin einen großen Teil von dem Grundstück geschenkt, und darauf hatten sie und Bernt das Haus gebaut, in dem ich mich befand. Es war ein sogenanntes Fertighaus -„schrecklich billig, sonst hätten wir uns vorläufig kein eigenes Haus leisten können“ - , hatte Katrin mir erklärt.
Wie glücklich waren doch die beiden. Wie rücksichtsvoll war Bernt zu seiner schwangeren Frau, und wie freuten sie sich auf das Kind!
„Es wird auch Zeit“, hatte Katrin mir freimütig erzählt. „Wir heirateten schon, als Bernt Student war, dann konnten wir ja noch nicht an Kinder denken. Später kamen wir nach Nordnorwegen, wo er sein Pflichtjahr absolvierte, ja, ja, das Land der Mitternachtssonne, das stimmt schon, aber auch das Land mit dem dunklen sonnenlosen
Winter! Dann arbeiteten wir uns langsam in südlicher Richtung vor, Bernt machte seine Praxis auf und wir bekamen dieses Haus, und jetzt wollten wir gern Kinder haben, aber dann wollte der Klapperstorch nicht. Bis ich zum Arzt ging, es mußte ja was geschehen, ich war beinahe dreißig geworden, es war höchste Eisenbahn. Nun ja, dann hat der Frauenarzt eben einen kleinen Eingriff gemacht - und du siehst mit welchem Erfolg!“
„Und nun wird deine junge Schwiegermutter Oma“, sagte ich. „Ist sie doch längst! Meine eine Schwägerin, die Senta, hat einen Sohn, die andere, Sonja, hat zwei Töchter, Zwillinge!“
Und nun freute Katrin sich unsagbar auf ihr Kind.
Wie war die Nacht still. Ich konnte das kleine Glucksen von den Wellen da unten am steinigen Ufer bis hierher hören.
Was für ein schönes Fleckchen war dies doch, ein kleines, ruhiges Paradies auf Gottes Erde.
Ich schlief ein mit dem Gefühl, ich hätte ein paar wirkliche Freunde gefunden. Zwei Menschen, die in mein Leben traten, gerade in dem Augenblick, wo ich sie am dringendsten brauchte.
Ich wachte früh auf, schlich ins Bad und machte mich fertig. Ich hatte Katrin gestern beim Aufräumen geholfen und kannte mich einigermaßen in der Küche aus. Jedenfalls so, daß ich den Frühstückstisch fertig hatte, als die beiden erschienen.
„Oh, Allegra, wie himmlisch!“ rief Katrin. „Sonst komme ich nur bei unseren Besuchen bei Bernts Eltern zu einem gedeckten Tisch. Jetzt können wir auch rechtzeitig losfahren, wir haben ja heute viel zu erledigen.“
Eine Stunde später waren wir schon unterwegs zum Krankenhaus. Frau Felsdorf hatte eine ruhige Nacht verbracht und schlief noch, sie hatte ja ein Schlafmittel bekommen.
„Aber bevor sie einschlief, hat sie mich
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