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S - Spur Der Angst

S - Spur Der Angst

Titel: S - Spur Der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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Fenster. Von der Küste her zog ein Sturm auf, der Regen mit sich brachte; die Bäume, an denen frische grüne Blätter sprossen, bogen sich im Wind, der Himmel war grau wie Eisen.
    Ein anderes Gefängnis, nicht besser als die Blue Rock Academy. Shay schaukelte weiter.
    Hin und her. Hin und her. Hin und her.
    Schaukeln. Schaukeln. Schaukeln.
    Hör nicht auf, dich zu wiegen; sie sollen glauben, du wärst in deiner eigenen kleinen Welt. Sie dürfen nicht ahnen, dass du weißt, was hier vorgeht.
    »Zeit für deine Tabletten«, sagte eine apfelwangige Schwester. Mein Gott, ging die ihr auf die Nerven! Auf ihrem Namensschild stand Amy Dryer, Krankenpflegerin. Amy Dryer war eine dumme Gans, die ständig von ihrem Verlobten schwatzte. Wenn Shay noch einmal den Namen Merlin hörte, würde ihr schlecht werden.
    Heute war Amy ganz in Lila gekleidet, eine lilafarbene Hose und ein dazu passendes Oberteil mit V-Ausschnitt, das nicht verbergen konnte, wie schwabbelig ihre Hüften waren. Sie schenkte Shay ein aufgesetztes Lächeln und reichte ihr die sorgfältig abgezählten Tabletten.
    Shay wandte den Blick nicht vom Fenster ab, sondern betrachtete Schwester Amys blasses Spiegelbild in der Glasscheibe, gegen die nun die ersten Regentropfen prasselten.
    »Shaylee?«, fragte die Krankenpflegerin, und ihre Stimme schoss eine Oktave in die Höhe, weil sie unruhig wurde.
    Perfekt!
    Shay unterdrückte ein Lächeln und schaukelte weiter vor und zurück, während eine andere Schwester einen Radiosender einstellte. Aus versteckten Lautsprechern ertönte Musik. Heute: Country. Taylor Swift. Wieder einmal.
    »Bitte, Liebes«, sagte Schwester Amy. »Es ist Zeit.«
    Shay antwortete nicht.
    »Shay!« Diesmal spie sie ihren Namen aus. Apfelbäckchen war echt angefressen. Shay drehte langsam den Kopf und blickte in Schwester Amys konsterniertes Gesicht. Ihre Augen blieben ausdruckslos, nicht einmal der Hass, der so tief in ihrer Seele loderte, spiegelte sich darin wider. Es gelang ihr, sogar ein wenig Speichel in einem ihrer Mundwinkel zu sammeln.
    »Hörst du nicht, Liebes?«
    O doch, du Vollidiotin, ich höre dich sehr gut, ich habe nur einfach keine Lust, dir zu antworten.
    »Es ist Zeit für deine Medikamente.«
    Stumpfsinnig nahm Shay den kleinen Pillenbecher und tat so, als würde sie die Tabletten schlucken, während Apfelbäckchen mit gerunzelter Stirn zum nächsten geisteskranken Patienten wanderte.
    Dämliche Gans!
    Shay gab stets vor, die Tabletten zu nehmen, doch wenn niemand hinsah, stopfte sie sie in ihre Schuhe. Dann versteckte sie sie, denn sie konnte schließlich nicht wissen, ob sie sie noch brauchen würde. Die Tabletten, ein Messer aus der Cafeteria, eine kleine Schere vom Kunsthandwerken und einen winzigen Schraubenzieher, den sie aus der Werkzeugtasche des Hausmeisters gestohlen hatte, als dieser versuchte, den Fernseher zu reparieren. All diese kostbaren Schätze lagen gut versteckt in einer Kosmetiktasche, die mit Klebeband an der Unterseite des Rollwagens mit Connies Habseligkeiten befestigt war.
    Sollten die Sachen tatsächlich entdeckt werden, würde es so aussehen, als hätte Connie, eine etwa vierzigjährige Irre mit kleptomanischen Neigungen, sie gestohlen. Sehr gut, Leute, schiebt es Connie, der Kleptomanin, in die Schuhe!
    Alles zu seiner Zeit, dachte Shay und zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie hasste es, eingesperrt zu sein, aber es war ja nicht für immer. Sie wusste genau, was sie tun würde, sobald sie hier raus war.
    Sie hatte noch einige Rechnungen offen. Edie stand auf ihrer Liste, und auch Cooper Trent, dieser rodeoreitende Scheißkerl. Doch diejenige, mit der sie ein echtes Hühnchen zu rupfen hatte, war ihre Schwester: Jules.
    Bei dem Gedanken an Jules fing Shaylees Blut an zu kochen. Sie hatte sich auf sie verlassen, und Jules hatte sie – wie nicht anders zu erwarten – enttäuscht, gedemütigt und schlussendlich dafür gesorgt, dass sie in dieser Anstalt hockte, zusammen mit Verrückten und Schwachköpfen. Jules war der Grund dafür, dass sie hier war.
    Ja, dachte Shaylee, dafür würde sie bezahlen müssen, und zwar mit ihrem Leben.
    Der Taylor-Swift-Song endete mit dem vertrauten Gitarrenakkord, dann folgte eine Werbung für die Blue Rock Academy. Shays Inneres gefror zu Eis, als sie hörte, wie diese alberne Mutter erzählte, dass sie sehr besorgt um ihre dämliche Tochter gewesen sei, die mit junger, munterer Stimme verkündete, dass die Schule ihrem Leben eine neue Richtung gegeben

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