S - Spur Der Angst
er aussah, dachte Trent und verfolgte, wie Ayres ein Stauband um Drews Arm schlang und seine Ellbeuge mit einem Tupfer desinfizierte, bevor sie eine Vene suchte und den Infusionsschlauch legte. Zumindest sie schien ihren Job zu beherrschen.
»Ja, ich bleibe dran«, sagte Lynch, gerade als sich die Tür erneut öffnete.
Diesmal kam Jacob McAllister herein. Sein Gesicht war ernst und verkniffen, der jungenhafte Charme verschwunden.
»Was ist passiert?«, fragte er und ließ sich neben Prescott auf ein Knie sinken.
»Sind sie unterwegs?«, fragte Ayres, ohne aufzusehen, und blieb dem jungen Kirchenmann die Antwort schuldig.
»Der Einsatzkoordinator sagt, die Vorbereitungen laufen.« Lynch wagte es, einen Blick auf den leichenblassen Jungen zu werfen, und zuckte zusammen.
»Wie ist das passiert?«, fragte McAllister erneut.
»Das wissen wir nicht«, antwortete Trent.
Lynch schüttelte den Kopf. »Was hatte er hier zu suchen, so ganz allein, mitten in der Nacht? Und warum ist er nackt?«
Trent runzelte die Stirn. »Ob er tatsächlich allein war?«, überlegte er schließlich laut. »Darauf würde ich nicht wetten.« Er begegnete McAllisters fragendem Blick.
»O mein Gott, glauben Sie etwa, es gibt noch weitere Verletzte?«, flüsterte Lynch entsetzt und fuhr sich mit zitternder Hand durch sein sorgfältig gekämmtes Haar. Offenbar dachte er voller Schrecken an den Ruf der Schule.
Quiiieeetsch!
Wieder dieses seltsame Geräusch. Wie das Seufzen eines Gespenstes.
Es kam von oben.
Trent spürte, wie ihm ein Schauder das Rückgrat hinablief.
»Was war das?« Lynch trat einen Schritt zurück und spähte mit zusammengekniffenen Augen durch die Öffnung zum Heuboden.
Mit einem unguten Gefühl im Magen machte sich Trent daran, die Leiter hinaufzuklettern.
War etwa jemand dort oben?
Möglicherweise verletzt?
Verdammt.
Seine Cowboystiefel knarzten auf den Sprossen, und eines der Pferde stieß ein ängstliches Wiehern aus. Sobald Trent sich auf die Dielen des Heubodens zog, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Er blickte durch die Öffnung nach unten. Ja, offensichtlich war Drew hier hinuntergestürzt; an einer der Holzkanten klebte Blut, dort musste sich der Junge den Kopf angeschlagen haben. Doch als sich Trent umsah, entdeckte er noch mehr: Hinweise darauf, dass jemand durch das auf den Dielen verstreute Stroh geschleift worden war.
Was zum Teufel war hier vorgegangen?
Mit wem hatte sich Drew getroffen? Oder war der Junge zufällig Zeuge von etwas geworden, das nicht für seine Augen bestimmt war?
Er hörte, wie jemand hinter ihm die Leiter emporkletterte, und trat näher an die aufgestapelten Heuballen heran. Zu seinen Füßen bemerkte er einen dunklen Fleck.
Blut.
Stammte es von Drew?
Quiiieeetsch!
Das Geräusch war jetzt lauter und jagte ihm einen Höllenschreck ein. Er blickte zu den dunklen Dachsparren hoch und sprang entsetzt zurück, wobei er fast selbst durch die Öffnung im Fußboden gestürzt wäre.
»Du lieber Himmel!«, flüsterte er, als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Er kostete ihn alle Mühe, sich nicht zu übergeben.
Der nackte Leichnam einer jungen Frau baumelte an einem Seil, das an einem Querbalken befestigt war. Die Haut aschfahl, die Augen weit aus den Höhlen getreten, schwang sie sanft in der frischen Brise hin und her, die durch das kleine, einen Spaltbreit geöffnete Dachfenster wehte.
Trent stieß einen Fluch aus. Er konnte einfach nicht glauben, was er da sah.
Nona Vickers baumelte von den Dachsparren, und ihre nackte Haut schimmerte bläulich in dem spärlichen Licht, das durch das runde Fensterchen fiel.
»Verdammt«, murmelte er. Alle möglichen Fragen schossen ihm durch den Kopf.
»Allmächtiger!« McAllister war neben Trent getreten und starrte entsetzt auf den Leichnam. Er hatte die Hand auf den Mund gepresst. »Gott steh uns bei.«
Wer mochte das getan haben?, fragte sich Trent.
Und warum?
Drew?
War er versehentlich durch die Öffnung gestürzt, nachdem er Nona erhängt hatte?
Nein. Das ergab keinen Sinn.
Plötzlich bemerkte er oben in den Dachsparren zwei stecknadelkopfgroße Lichter – die Augen einer Eule, die ihn aus der Dunkelheit anstarrten. Erschrocken fuhr er zusammen.
»Was ist los? Haben Sie noch etwas gefunden?«, tönte Reverend Lynchs Stimme zu ihnen herauf.
O ja, dachte Trent und blickte wieder auf das tote Mädchen. Er hatte in der Tat etwas gefunden. Etwas, das aussah, als wäre es das Werk des Teufels.
Kapitel
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